Victor Emil Janssen, Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler

Kopf des jungen Tobias (Detailkopie aus Raffaels "Madonna mit dem Fisch", sog. Madonna del Pesce), 1827/1833

Der in Hamburg geborene Künstler Victor Emil Janssen besuchte 1823/24 in seiner Heimatstadt die Zeichenschule von Siegfried Detlev Bendixen und gehörte zum Freundeskreis der Malerfamilie um Erwin und Otto Speckter. 1827 studierte Janssen an der Münchner Akademie der Bildenden Künste bei Peter von Cornelius und Julius Schnorr von Carolsfeld. Beide waren als Maler des nazarenischen Lukasbundes Verehrer der Kunst Raffaels. Janssen half Schnorr bei der Ausmalung der Fresken in der Münchner Residenz. Im Herbst 1833 reiste er gemeinsam mit Friedrich Wasmann nach Rom, um dort Friedrich Overbeck, das Oberhaupt der Nazarener, kennenzulernen. Er musste jedoch aus gesundheitlichen Gründen – ihn plagten Knochentuberkulose und Depressionen – 1835 nach München zurückkehren, wo er zusammen mit Carl Koch für Heinrich Maria von Hess an den Fresken in der Bonifatius-Basilika arbeitete. 1840 unternahm er noch eine Studienreise nach Tirol, kehrte 1843 aber endgültig nach Hamburg zurück.
Janssen als ein der religiösen Malerei der Nazarener nahestehender Künstler fertigte diese Teilkopie nach der Figur des jungen Tobias aus dem Gemälde der Madonna mit dem Fisch von Raffael sicher nach einer graphischen Vorlage an. Das Gemälde Raffaels, dass sich seit 1818 in Spanien befindet, kann er nicht gesehen haben. (Anm. 1) Als Anregung im druckgraphischen Bereich zur Beschäftigung mit Raffaels Gesamtkomposition der Madonna mit dem Fisch kommt der Kupferstich des Franzosen Auguste Gaspard Boucher Desnoyers von 1815 in Frage, der weit verbreitet war. (Anm. 2) Als direkte Vorlage beim Zeichnen diente ihm aber, wie unschwer am Figurenkontur zu erkennen ist, ein Exemplar der Radierung in Crayon-Manier von Alexis-François Girard nach einer Zeichnung von Jean Marie Nicolas Bralle, der in der von Féréol Bonnemaison herausgegebenen Folge von Köpfen nach fünf Gemälden Raffaels mit dem Titel Suite d’Études Calquées Et Dessinées d’Après CinqTableaux De Raphaël aus dem Jahr 1818 enthalten ist (zu einem anderen Blatt aus der Folge vgl. Inv.-Nr.55839). (Anm. 3)
Es ist daher anzunehmen, dass die Zeichnung am ehesten im Rahmen der akademischen Ausbildung in München entstanden sein wird, also wohl zwischen 1827 und 1833.
Andreas Stolzenburg

LIT (Auswahl): Klée Gobert 1988 S. 56

1 1513–14, Öl auf Holz, 215 x 158 cm, Madrid, Museo del Prado, Inv.-Nr. 297; Meyer zur Capellen 2005, S. 117–123, Nr. 54. Das Bild war nach einem Intermezzo in Paris 1813–18 seit 1818 wieder im Escorial bei Madrid. Seit 1837 befindet es sich im Museo del Prado in Madrid.
2 Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 199, Madonne, Nr. XXVII.5, Abb. S. 727.
3 1818, Radierung in Crayonmanier, 510 x 392 mm, unter dem Bild bezeichnet: „Le jeune Tobie / Étude Calquée et Dessinée d’après le tableau original de Raphaël dit la Madonna del Pesce / appartenent à S M le Roi d’Espagne“, London, British Museum, Department of Prints & Drawings, Inv.-Nr. 1896.05121.167.

Details zu diesem Werk

Schwarze Kreide; aufgezogen und fest aufgelegt 398mm x 322mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 41246 Sammlung: KK Zeichnungen, Hamburg, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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