Anonym (flämisch), (?)

Lustige Gesellschaft im Bauernwagen, im Vordergrund raufende Männer, um 1600 - 1615

Die alte Zuschreibung an Jan Both entbehrt jeder stilistischen Grundlage und erklärt sich allenfalls aus einer gewissen Verwandtschaft mit Zeichnungen des frühen Andries Both.(Anm.1)
Gregor Weber brachte das Blatt unter Vorbehalt mit Sebastiaan Vrancx in Verbindung, dem im Sujet verwandte Darstellungen zugeschrieben werden.(Anm.2) Mit Vrancxs Zeichenstil indes ist die kalligraphisch-schwungvolle Handschrift des vorliegenden Blattes kaum vereinbar. Selbst auf dessen freier gearbeiteten Federzeichnungen wie dem „Überfall auf ein Dorf“ in Braunschweig oder dem „Italienischen Markttreiben“ in Dresden sind die Konturen fester an die Form gebunden und besitzen weniger verspieltes Eigenleben als auf unserem Blatt.(Anm.3)
Die verschlungenen Linien und die besonders im Hintergrund auf einfache Chiffren reduzierten Figuren lassen sich hingegen ähnlich auf Zeichnungen des in Antwerpen tätigen Frans Francken (II) (1581–1642) beobachten, z. B. dem „Triumphzug der Amphitrite“ im Dresdner Kupferstich-Kabinett.(Anm.4) Eine Zuschreibung an Francken selbst lässt sich daraus nicht ableiten,(Anm.5) wohl aber eine Entstehung im Umfeld des Künstlers.(Anm.6)
Zu einem späteren Zeitpunkt wurde die Zeichnung fest aufgezogen. Auf dem Kaschierpapier sind in niederländischer Sprache finanzielle Transaktionen notiert.

Annemarie Stefes

1 Egbert Haverkamp Begemann, Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
2 Freundliche Mitteilung, 5. 5. 2008. Vgl. „Umzug mit Wagen und tanzenden Figuren“, Edinburgh, National Gallery of Scotland, Inv.-Nr. D 1555, Keith Andrews: Catalogue of Netherlandish Drawings in the National Gallery of Scotland, 2 Bde., Edinburgh 1985, Bd. 1, S. 100. An Vrancx dachte auch Charles Dumas (mündlich, 3. 10. 2008).
3 Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. Z 799; 1622, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 922, vgl. Ketelsen, in: In Arte Venustas. Studies on Drawings in Honour of Teréz Gerszi. Presented on Her Eightieth Birthday, hrsg. von Andrea Czére, Budapest 2007, S. 121, Abb. 2.
4 Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1039, Ursula Härting: Frans Francken d. J. Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog, Freren 1989, Abb. 89.
5 Die Volumina sind hier flächiger abschattiert, die Konturen im Vordergrund noch willkürlicher bewegt.
6 Auch Fred G. Meijer dachte an flämischen Kontext, mündlich, 3. 10. 2008, auf Grundlage einer Digitalphotographie. Thomas Ketelsen, der das Blatt auf dem unter Anm. 1. erwähnten Hamburger Symposium zur Diskussion stellte, würde es versuchsweise einem unbekannten, in Norditalien tätigen Niederländer zuordnen.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert; Einfassungslinien mit Pinsel in Schwarzbraun 129mm x 280mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 39492 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Anonym (flämisch)