Anonym (flämisch, 17. Jh.)

Hirten und Hirtinnen im Reigen

Dieses Blatt wurde mit unterschiedlichen Künstlern der Rubens-Nachfolge in Verbindung gebracht. Michael Jaffé sah 1979 einen Zusammenhang mit Theodor van Thulden,(Anm.1) im RKD wurde ein Bezug zu Jan Boeckhorst (1604–1668) vorgeschlagen,(Anm.2) und Jan Kosten wies auf eine gewisse Nähe zu Werken des Jan Cossiers (1600–1671).(Anm.3) Vielleicht geht Julius Helds Vorschlag, das Blatt mit Jan Thomas van Ypern (1617–1678) in Verbindung zu bringen, in die richtige Richtung, denn Van Ypern hatte sich auf derartige bukolische Themen spezialisiert.(Anm.4) Zu Zeichnungen dieses Künstlers besteht allerdings kein stilistischer Bezug.(Anm.5) Angesichts des trockenen Linearstils kann man davon ausgehen, dass es sich hier um die Kopie nach einer bislang nicht identifizierten Vorlage handelt.
Als Motiv ist der ländliche Tanz sicher abzuleiten von Rubens’ „Bauerntanz“ in Madrid.(Anm.6) Dabei unterscheidet sich die vorliegende Darstellung von der berühmten Vorlage in den gemessenen Bewegungen der Tänzer und ihrem – mit Ausnahme der Hüte – antikischen Habitus, in diesen Eigenschaften an einen „Maitanz“ des Erasmus Quellinus erinnernd.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Gemäß einer Karteinotiz von Stubbe und einer Anmerkung auf dem alten Passepartout.
2 Anonyme und undatierte Notiz in der Photokartei des RKD.
3 Mündliche Mitteilung vom 4. 10. 2008 auf Grundlage einer Digitalphotographie.
4 Helds Vorschlag wird dokumentiert durch eine undatierte Karteinotiz von Wolf Stubbe. Zu Jan Thomas van Ypern vgl. Vlieghe 1998 a, S. 111–112 und 160. In den gemessenen Bewegungen der Tänzer und den breitkrempigen Hüten der Männer erinnert unser Blatt an Gemälde dieses Künstlers wie z. B. den „Ländlichen Tanz“, Caen, Musée des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 720, Le siècle de Rubens dans les collections publiques francaises, Ausst.-Kat. Paris, Grand Palais 1977, Nr. 189.
5 Vgl. dessen „Hirten und Hirtinnen“, Standort unbekannt, Janno van Tatenhove: Miscellanea: Jan Thomas van Yperen (1617-1678), in: Delineavit et Sculpsit 15, 1995, S. 39-41, S. 40, Abb. 7.
6 Um 1630, Madrid, Museo del Prado, Inv.-Nr. 1691, Jaffé 1989, Nr. 979. Der Rubens-Bezug wurde von unterschiedlicher Seite betont, z. B. Jaffé 1979, siehe Anm. 1, und in einer anonymen Passepartoutnotiz. Laut alter Karteinotiz war „die minderwertige Zeichnung […] früher dem Rubens zugeschrieben“.
7 Um 1650, Aukt.-Kat. London, Christie’s 15. 7. 1977, Nr. 178, Jean-Pierre de Bruyn: Erasmus II Quellinus (1607-1678). Een stilkritische benadering, in: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1984, S. 271-329, S. 306 und 304, Abb. 17.

Details zu diesem Werk

Schwarze Kreide oder Graphit auf ehemals weißem Papier 171mm x 278mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 38450 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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