Philipp Otto Runge

Geometrische Figur zur "Farbenkugel", Figur 5

Figur fünf zur Farbenkugel zeigt die perspektivische Konstruktion von Inv. Nr. 34300 von oben bzw. unten: „§15. Beide Dreyecke, oder das vorhin (Inv. 34300, Anm. d. Verf.) aufgestellte gleichseitige Sechseck, enthalten, in der Folge: Blau, Grün, Gelb, Orange, Roth, Violett, die sogenannten sieben Farben des Regenbogens; wenn man Violett in bläuliches und röthliches an beiden Seiten des Regenbogens zertrennt annimmt. Und so enthält der
Übergang und Umfang des ganzen Kreises alle reinfarbigen Mischungen, und die reinen Farben selbst.“ (Anm. 1) Die Bezugnahme auf Newtons Siebenteilung der Regenbogenfarben ermöglicht Runge die Veranschaulichung des Kreises, in dem das Violett Anfangs- und Endpunkt der Kreisfigur ist.
Das aus zwei übereinander gelegten Dreiecken entwickelte Schema des sechseckigen Sterns bzw. des Sechsecks unterlegt Runge auch seinen gleichzeitig entstandenen Pflanzenstudien (Anm. 2), die die enge Verbindung der Farbe mit der Blume belegt, wie sie Runge gegenüber seiner Mutter (Anm. 3) und Daniel bereits früh formuliert hatte: „Die Blumen, Bäume und Gestalten werden uns dann aufgehen und wir haben einen Schritt näher zur Farbe gethan! Die Farbe ist die letzte Kunst und die uns noch immer mystisch ist und bleiben muß, die wir auf eine wunderlich ahnende Weise wieder nur in den Blumen verstehen. – Es liegt in ihnen das ganze Symbol der Dreieinigkeit zum Grunde.“ (Anm. 4) Die Idealität der Pflanzen und die Reinheit der Dreifaltigkeit erhalten in der Farbenlehre ihren „figürlichen Ausdruck“ im gleichseitigen Dreieck, dass das Verhältnis der „Naturkräfte“ untereinander bestimmt (Anm. 5).
Zur Entstehungsgeschichte der Farbenkugel vgl. Inv. Nr. 34297.

Peter Prange

1 Farbenkugel oder Construction des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zu einander und ihrer vollständigen Affinität; mit angehängtem Versuch einer Ableitung der Harmonie in den Zusammenstellungen der Farben. Von Philipp Otto Runge, Mahler, Hamburg 1810, § 15, vgl. auch HS I, S. 118-119.
2 Tulpenblüte von oben, Bleistift, Feder in Schwarz, 294 x 235 mm, Frankfurt am Main, Städel-Museum, Graphische Sammlung, Inv. Nr. 15715, vgl. Traeger 1975, S. 434-435, Nr. 416, Abb.; Ahornblatt, Bleistift, 269 x 198 mm, Frankfurt am Main, Städel-Museum, Graphische Sammlung, Inv. Nr. 15717, vgl. Traeger 1975, S. 435, Nr. 417, Abb.
3 „Recht viele Blumen mache ich, […], und vertiefe mich immer mehr in die lebendige Fülle der Farben. […] Dann erweitert sich der Raum in unserm Innern und wir werden zuletzt selbst zu einer großen Blume, wo sich alle Gestalten und Gedanken wie Blätter in einem großen Stern um das Tiefste unsrer Seele, um den Kelch wie um einen tiefen Brunnen drängen, aus welchem bloß die Staubfäden als die Eimer und die tiefen Leidenschaften unsrer lebendigen Seele herauskommen und wir uns selbst immer verständlicher werden.“ Brief vom 15. Juni 1803 an die Mutter, vgl. HS II, S. 220-221.
4 Brief vom 2. November 1802 an Daniel, vgl. HS I, S. 17.
5 Runge 1810, § 8, vgl. HS I, S. 116.

Details zu diesem Werk

Bleistift, Feder in Schwarz, auf festem, grünlichem Papier 53mm x 58mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34301 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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