Philipp Otto Runge

Modellstudien zur "Farbenkugel": Querschnitt und Längsschnitt

Die dem Manuskript der Farbenkugel beigefügten Probedrucke (Inv. Nr. 34291, 34292, 34296) verdeutlichen die Vorstellung von der Farbenkugel als einen „Globus“. Runge schreibt, dass man jetzt, „wenn man sich die Farbenkugel (wobey eine gedoppelt beygefügte Abbildung, von dem weißen, wie von dem schwarzen Pole herabgesehen, zur Vergleichung dienen möge) von der Oberfläche bis zum Mittelpuncte in gleichmäßiger Würksamkeit durchdrungen vorstellt, die gleichfalls abgebildeten beiden Scheiben, die eine als einen Durchschnitt im Äquator (als die Farbenscheibe,) die andere aber durch beide Pole geführt (in der Richtung, daß im Äquator Roth und Grün (R. und Gr.) die beiden Endepuncte des Diameters ausmachen) zu erkennen im Stande seyn. Wie ich denn auch nicht zweifle, daß man nach diesem Schema sich die auf willkührliche Weise zwölffach eingetheilte Oberfläche leicht als einen völligen Übergang wird denken können.“ Tatsächlich lehnt sich die Schräglage der Farbenkugel an die Erdneigung an (Anm. 1), was die Bezeichnung als „Globus“ sinnfällig macht. Der Globus verdeutlicht die Verteilung in horizontale – von Runge als „Durchschnitt durch den Äquator“ bezeichnet – und vertikale – von Runge als Durchschnitt durch die beiden Pole“ bezeichnet – Richtungen, doch vor allem das Potenzial der Farbenmischungen zur Bewegung. Deshalb stellt sich Runge die „zwölffach eingetheilte Oberfläche […] als einen völligen Übergang“ der Farben vor. Diesen Übergang der Farben veranschaulichen die verschiedenen farbigen Versionen von der Kugel und ihrer Schnitte (Inv. Nr. 34285-34290, Inv. Nr. 34293-34295), die Runges Intensives Bemühen um eine zarte, dabei immer wieder leicht veränderte Abstufung der Farben erkennen lassen. Angesichts der Beweglichkeit der Farben erscheinen ihre Mischungen auf der Oberfläche graduell immer unterschiedlich und somit unendlich. Die auf ihnen sichtbaren Farben und „ihre Veränderungen auf der Kugeloberfläche wie auch innerhalb des Hell-Dunkel-Bereichs vom Weißen zum Schwarzen Pol sowie in den Schnitten mit und untereinander geben nur einen Bruchteil aller Möglichkeiten (aller möglichen Farbnuancen) wieder. Vergleicht man alle farbigen Ausführungen zu den Längs- und Querschnitten mit ihren graduellen Unterschieden, wird der Modellcharakter der Kugel und die Beweglichkeit, die in der Farbe begründet liegt, vor Augen gestellt.“ (Anm. 2)
Runge versteht seine Farbenkugel als konkrete, aus der Praxis gewonnene Handlungsanleitung für das Mischen von Farben, sie soll für den Maler benutzbar sein. Diesen didaktischen Anspruch seiner Farbenkugel erhellt Runge im letzten Absatz seiner Erläuterungen, in denen er seine Systematisierungen als „eine Generaltabelle“ betrachtet, „wodurch derjenige, welcher zu seinem Geschäfte verschiedener Tabellen bedürfte, sich immer wieder in den Zusammenhang des Ganzen aller Farben zurechtfinden könnte.“ (Anm. 3)

Peter Prange

1 Lange, in: Runge 2010, S. 211-212, hat Runges Neigungswinkel von etwa 23,5° auf Johann Gottfried Herders 1784 erschienenen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ zurückgeführt.
2 Lange, in: Runge 2010, S. 214.
3 Farbenkugel oder Construction des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zu einander und ihrer vollständigen Affinität; mit angehängtem Versuch einer Ableitung der Harmonie in den Zusammenstellungen der Farben. Von Philipp Otto Runge, Mahler, Hamburg 1810, § 25, vgl. auch HS I, S. 125.

Details zu diesem Werk

Bleistift, Aquarell 100mm x 233mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34285 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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