Philipp Otto Runge

Die Freuden der Jagd, Kompositionsstudie

Das skizzenhaft angelegte Blatt zeigt einen ersten Entwurf zu den 1808 oder 1809 in Hamburg entstandenen „Freuden der Jagd“ (Anm. 1), die laut Daniel als Zimmerverzierung und als Gegenstück zu den „Freuden des Weines“ gedacht waren (Anm. 2). Eine quadrierte Nachzeichnung von Erwin Speckter (Inv. Nr. 1946-1), die ihm als Vorlage für seine in den „Hinterlassenen Schriften“ abgebildete Lithographie diente (Anm. 3), zeigt die ausgeführte Komposition, die Daniel wie folgt beschrieben hat: „Diana, in sehr knapp anschließendem weißem Gewande, Bogen und Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken, auf dem Haupte ein kleiner Halbmond, kommt mit raschem, kräftig anmuthsvollen Schritt aus einem Tannen= und Eichenwalde an ein Wasser im Vorgrunde her, in welchem Wasserblumen schwimmen, und worin sich die Blumen und Kräuter des Rasenrandes, so wie die Gegenstände des Bildes, spiegeln. Die Göttin hält zwey Windhunde am Leitbande vor sich, einen braungefleckten, der zum Wasser herab, und einen graugefleckten, der zum Walde hinaufspringt, in welchem Rehe sich ruhig ergehen. Auf den Eichenzweigen über der Göttin ruhen wie schützende Genien in horizontaler Richtung einander gegenüber zwey nackte Kinder, ein Knabe und ein Mädchen. – Das Ganze bildet ein sehr längliches aufrechtstehendes Oval, in einem Viereck, das ein breiter Arabeskenrahmen mit folgendem Inhalte füllt: Unten in der Mitte ein Faunshaupt mit Laub umhaängt, bläset mit großer Gewalt durch ein Mundloch vier Jagdhörner, wovon zwey rechts= und zwey linkshin nach den Ecken hin strecken. Hier ist an jeder Seite eine große blaue Blume, um welche sich schneckenförmig Eichen= und andre Baumblätter winden und in welchem Gewinde demselben folgend ein fahler Windhund einen eben solchen Hasen, ein schwarz und brauner Dachshund einen Fuchs jagt. Das Blättergewinde zieht sich dann aufrecht bis zur Mitte der Rahmenleisten hinauf, wo eine Jagdnymphe mit den Zehen des einen Fußes auf dem Kelch einer gelben Blume steht und gewaltsam in die Höhe gewendet zwey gelbe Metallbecken zur hohen Jagd rufend schlägt. Ueber ihr sprießt eine rothe Feuerlilie auf, und auf dieser steht in jeder oberen Ecke eine Nymphe, die den Pfeil vom Bogen nach der oberen Mitte abschießt, wo aufgerichtet ein verwundeter Bär steht, vor welchem ein von ihm erlegtes Reh blutend liegt. Zwischen der Nymphe und dem Bären springt an jeder Seite mitten aus Waizenähren ein ermatteter Hirsch zu dem lezteren hinauf.“ (Anm. 4)
Für die Figur der Diana hatte Traeger „in Schrittstellung, Kopfwendung und Kleidung“ eine Abhängigkeit von der sogenannten „Diana von Versailles“ angenommen, die als Gipsabguß in Dresden vorhanden war. Doch wird weniger der Gipsabguß Runge angeregt haben als vielmehr einer der zahlreichen Stiche nach der Statue, etwa nach Simon Thomassin, dessen Stich die Göttin in nahezu identischer Haltung zeigt (Anm. 5).
Die Konzeption eines länglichen, aufrechtstehenden Ovals in einem viereckigen Rahmen verfolgte Runge bereits in der ersten Skizze, doch hatte Runge Diana ursprünglich nicht als auf den Betrachter zuschreitend vorgesehen; auf der ersten Entwurfsskizze ist Diana als Rückenfigur zu sehen, die sich zum Betrachter umdreht. Die andersartige Ausrichtung der Komposition könnte auf einen zeitlichen Abstand zwischen Entwurf und Realisierung der Komposition hindeuten. Daniel hat das Blatt unten auf „1808/09“ datiert, doch auf der Rückseite als „Original von Philipp Otto Runge 1803“ bezeichnet, doch die Datierung in „1808/09“ korrigiert. Die Unsicherheit Daniels in dieser Frage könnte darauf hindeuten, dass die Skizze bereits im Zusammenhang mit den „Freuden des Weines“ (vgl. Inv. Nr. 34270) 1802 entstanden ist.

Peter Prange

1 Die Freuden der Jagd, Aquarell, 96,7 x 63,6 cm, Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 1019, vgl. Traeger 1975, S. 438-439, Nr. 432, Abb.
2 Vgl. HS I, S. 350.
3 Vgl. HS I, Abb. nach S. 348, vgl. Traeger 1975, S. 439, Nr. 432/1, Abb..
4 HS I, S. 349-350.
5 Simon Thomassin, Recueil des Statue, Groupes, Fontaines, Termes, Vases et Autres Mangifique Ornamens du Chateau et Parc de Versailles, Paris 1723, Taf. 18.

Details zu diesem Werk

Bleistift 625mm x 472mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34273 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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