Philipp Otto Runge
Gewandstudie zur Psyche (Studie zum Gemälde "Lehrstunde der Nachtigall, erste Fassung), 1802
Verso: Gewandstudie (Detail zur Vorderseite)
In einem Brief an Daniel vom 27. Juli 1802 berichtete Runge über seine Fortschritte bei den Arbeiten zur „Lehrstunde der Nachtigall“: Ich bin sehr betrübt, ich führe jetzt mein Bild, die Nachtigal, aus, und bin überzeugt, daß es ein schönes in Hinsicht der Composition wird, die ich jetzt erst recht zu verstehen anfange; ich habe mir die Arabeske, die beiden Köpfe, das Gewand, den Baum, jedes gesondert aufgezeichnet.“ (Anm. 1) Insgesamt haben sich drei Blätter mit „gesonderten Aufzeichnungen“ vom Gewand der Psyche erhalten, die alle in schwarzer und weißer auf grauem bzw. braungrauem Papier ausgeführt sind. Technisch und in der Verwendung farbiger Papiere schließen sie an Runges Akademiestudien an, und es ist auffallend, dass Runge farbige Papiere und Kreide auch später für seine Figurenstudien verwendete. Sie war im Hinblick auf die farbige Ausführung am besten geeignet, die illusionistische Wirkung der Malerei und ihre tonalen Modulationen herauszuarbeiten.
Traeger hat darauf hingewiesen, dass die „weiche Lichtmodellierung“ bei Inv. Nr. 34265 dazu verleiten könnte, es in den Zusammenhang mit der zweiten, erst 1804/05 entstandenen zweiten Gemäldefassung zu bringen, doch lässt das chitonartige Gewand Psyches, das die Oberarme frei lässt , keinen Zweifel an der Zugehörigkeit zur ersten Fassung. Auch die figürlichen Entwürfe (Inv. Nr. 34261 und 34262) zeigen dieses Gewand, allerdings ist die Faltengebung des Rockes auf Inv. Nr. 34265 noch relativ weit von der Ausführung entfernt, weshalb es sich um die erste Gewandstudie handeln dürfte. Das Gewand unterscheidet sich auch von den Gewändern auf Inv. Nr. 34261 und 34262, die beide wohl vor dem 27. Juli 1802 entstanden sind. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Runge erst danach sich in detaillierten Studien endgültig der Form der Psyche näherte, was mit Runges Angabe von Ende August korrespondiert, er habe das Gewand „jetzt in der Zeichnung recht gut.“ (Anm. 2)
Runge wird die Gewandstudien im August 1802 ausgeführt haben, beginnend mit Inv. Nr. 34265, gefolgt von Inv. Nr. 34264, das in der Verwendung einer härteren Kreide und der zeichnerischen Ausfertigung Inv. Nr. 34265 verso entspricht. Es stimmt mit der Ausführung weitgehend überein und muss daher als Vorstudie zu Inv. Nr. 34266 gelten, das die unmittelbare Vorstudie zum Rock der Psyche darstellt. Sie wird auf Runges Angabe vom 24. August, er habe das Gewand „jetzt in der Zeichnung recht gut“, zu beziehen sein, und ist identisch mit der „schönen Ausführung in schwarzer Kreide auf braunem Papier […] von dem Gewande der Psyche“, die Daniel extra erwähnt (Anm. 3).
Peter Prange
1 Vgl. HS II, S. 141.
2 Brief vom 24. August 1802 an Daniel, vgl. HS II, S. 146.
3 HS I, S. 224.