Philipp Otto Runge

Schwan (Studie zur Segelschiffdekoration), 1809

Im Zusammenhang mit den „Freuden der Jagd“ erwähnt Daniel, dass Runge von jeher sich um die charakteristische Darstellung von Tieren bemüht hat, und er dazu auch Gelegenheit hatte, als er Dekorationen für Segelschiffe ausführte: „Gegenstände dieser Art in Oel für den Spiegel eines Schiffes zu mahlen ist ihm dreymal vorgekommen: Als er 1801 auf der Reise von Kopenhagen nach Dresden in der Vaterstadt war, kam grade der Lachs, eines der Schiffe des Vaters, von England an, wo es einem von der Regierung verordneten Embargo dadurch entgangen war, daß der Capitain zu rechter Zeit das Ankertau an der Küste kappte und absegelte. R. mahlte geschwind alla Prima eine Fischer, dem ein gefangner Lachs aus dem Netz entspringt, er langt mit der Hand darnach; hinten ist eine Aussicht auf die Rhde, die Sonne im Begriff unterzugehen. Ebendaselbst mahlte er 1807 einen Vogel Strauß für ein andres Schiff. 1809 in Hamburg für ein Schiff seines Bruders einen Schwan auf der Kupferplatte, die noch aufbehalten ist (so wie eine große Zeichnung davon in Federumriß), allein freylich verschiedene Seereisen mitgemacht hat. Der Schwan fährt mit ausgespannten (aber des Zähmens wegen gebrochnen) Flügeln zwischen Schilfen, Binsen und Wasserlilien hin.“ (Anm. 1)
Das Schiff für Runges ältesten Bruder Jacob war am 11. Oktober 1808 im Bau (Anm. 2), Ende Juni 1809 ist es auf den Namen „Schwan“ getauft worden und vom Stapel gelaufen (Anm. 3). Während von den beiden erstgenannten Arbeiten keine Entwürfe bzw. Reste vorhanden sind, haben sich zu der 1809 entstandenen Kupferplatte zwei Entwürfe erhalten. Das Kupfergemälde mit dem Schwan hatte Runge Ende Mai fertig, wie er selbst berichtet: „[…] heute habe ich den Schwan zu dem Schiff gemahlt womit ich morgen fertig werde so komme ich dann wieder zu meiner großen Arbeit.“ (Anm. 4)
Das Gemälde zeigte Daniels Beschreibung zufolge einen Schwan im Schilf. Runge hat das Gemälde zunächst in dem beidseitig benutzten Blatt Inv. Nr. 1938-76 vorbereitet, dass auf beiden Seiten die Bleistiftstudie des Schwans zeigt. Bei Inv. Nr. 34259 handelt es sich dagegen um den finalen, dem Gemälde unmittelbar vorhergehenden Entwurf. Dafür spricht nicht nur die Übereinstimmung mit Daniels Beschreibung sondern auch die Quadrierung, mittels der die Zeichnung auf die Kupferplatte übertragen wurde. Wahrscheinlich diente das großformatige Blatt Runge als „Karton“ und besitzt damit das Format des Gemäldes.
Traeger hat betont, dass „der Ausdruck des Tierhaften noch über die Tierphysiognomien nach Tischbein hinausgeht“ (Anm. 5); tatsächlich ist bei Runge eine stärkere Tendenz zur Stilisierung zu beobachten, doch dürfte Tischbein möglicherweise auch motivisch nicht ohne Einfluss gewesen sein. Tischbeins Gemälde „Schwäne“ (Anm. 6) für den „Idyllenzyklus“ im Oldenburger Schloss entstand zwar erst seit 1819, doch geht der „Idyllenzyklus“ auf vielfältige, bereits in Italien entstandene Vorarbeiten zurück, die Runge bekannt gewesen sein könnten. Tischbeins allegorische Ausdeutung des Schwans als Symbol der Dichtkunst hätte Runge dann in einem profanen Sinne ausgelegt, der allein den Namen des Schiffes illustriert.
Auf den Schwan von Inv. Nr. 34259 griff Runge für sein im selben Jahr entstandenes Aquarell „Arions Meerfahrt“ (Anm. 7) zurück, auf dem vor allem der rechts hinten neben der zentralen Ariongruppe erscheinende Schwan dem vorliegenden Blatt ähnelt.

Peter Prange

1 HS I, S. 350-351.
2 Brief vom 11. Oktober 1808 an Mutter Bassenge, vgl. Wilhelm Feldmann: Philipp Otto Runge und die Seinen. Mit ungedruckten Briefen, Leipzig 1944, S. 85.
3 Brief vom 27. Juni 1809 an die Eltern Bassenge, vgl. Feldmann 1944, S. 100.
4 Brief vom 30. Mai 1809 an Mutter Bassenge, vgl. Feldmann 1944, S. 98.
5 Traeger 1975, S. 442.
6 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Die Schwäne (Symbol Apolls), Öl/Holz, 27 x 33 cm, Landesmuseum Oldenburg, LMO 15.430/37, vgl. Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Idyllen, hrsg. von Peter Reindl, Dortmund 1982, S. 82-83, Nr. 37, Abb.
7 Arions Meerfahrt, Feder in Schwarz, Aquarell, 510 x 1187 mm, Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 1027, vgl. Traeger 1975, S. 443-444, Nr. 443, Abb.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz über Bleistift 855mm x 624mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34259 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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