Philipp Otto Runge
Oscar, 1805
Neben der Darstellung Fingals (Inv. Nr. 34215) und Ossians (Inv. Nr. 34217) zählt „Oscar“ zu den drei von Daniel sogenannten „Charakterbildern“ (Anm. 1), die Runge Stolberg vor dem 22. März 1805 zur Begutachtung zugesandt hatte (Anm. 2). In dem beigefügten Konzept seiner Ossian-Ausdeutung hatte Runge Oscar als den Helden beschrieben, der „den Feind am Lego=See“ schlägt, und wie „der Abendstern im Westen“ steht (Anm. 3). Gegenüber Tieck hatte Runge wenige Tage später eine ausführlichere Schilderung des Helden gegeben: „Oscar steht in einer niedrigen Gegend auf dem Horizont; der Schild, am Riemen hangend, sinkt ihm von der Schulter und neigt sich zum Rande der sinkenden Sonne, wie der schmale Streif des Mondes; die Spitze seines Speeres ist der Abendstern. Er steht schwankend und tritt mit dem einen Fuß hinter den Horizont, sieht in die Sonne hinab, welche die letzten Strahlen über ihn wirft, und wird bis zum Vorgrund hin abgespiegelt in einem See.“ (Anm. 4) Dazu hatte Daniel noch ergänzt, dass die Betrachtung der Zeichnung bei einigen Betrachtern zu Irritationen geführt hätte: „Oscar’s Stellung hinten am äußersten Horizont, ja mit dem einen Fuß hinter demselben, hat Manchen, als allem plastischen Begriff widersprechend, befremdet: man bedachte nicht, daß er dort nur wie eine Vision, ein Schemen gleichsam, und im Untergehen begriffen erscheint.“ (Anm. 5)
1 Vgl. HS I, S. 357, Nr. 1.
2 Vgl. Brief vom 22. März 1805 an Karl, vgl. Philipp Otto Runge. Briefe in der Urfassung, hrsg. von Karl Friedrich Degner, Berlin 1940, S. 263. Vgl. auch HS I, S. 260.
3 HS I, S. 261, Nr. 3.
4 Brief vom 29. März 1805 an Tieck, vgl. HS I, S. 259.
5 HS I, S. 259-260.