Philipp Otto Runge

Der rechte Genius auf der Amaryllisblüte (Studie zum Gemälde "Der große Morgen"), 1809

Das Blatt zeigt auf der Vorderseite eine Bleistiftstudie zu dem Genius auf der Amaryllisblüte mit den Konstruktionslinien, die ihn auf die Abmessungen der rechten Rahmenleiste beziehen. Er ist halb sitzend, halb stehend in der Amaryllisblüte dargestellt; damit steht er dem Genius der Rahmenkomposition des „Kleinen Morgens“ nahe (vgl. Inv. Nr. 34205), allerdings ist dessen Oberkörper weniger frontal zum Betrachter gedreht. Die Gestaltung der Amaryllisblüte entspricht zwar ebenfalls weitgehend der Gemäldefassung des „Kleinen Morgens“ (Anm. 1), doch verschwindet das linke Bein des Genius in einem Blütenblatt, was Veranschaulichung des Aufsteigens erschwert. Konsequenterweise hat Runge dieses Motiv in Inv. Nr. 34209 noch einmal überarbeitet.
Auf der Rückseite befinden sich zwei Architekturzeichnungen mit dem Grundriss eines Zentralbaus und eines offensichtlich spitzbogigen Aufrisses. Der Zentralbau besteht aus einer Innen- und Außenschale; innen ein Rundtempel in der Form eines antiken Tholos von sechs Säulen, der konzentrisch von einer Außenwand umhüllt wird, so dass ein Umgang entsteht. Ob sich der Aufriss auf den Grundriss bezieht, bleibt unklar. Er zeigt eine offensichtlich polygonal gebrochene Wandzone mit einer spitzbogigen Arkatur; ob sich die darüber befindlichen Spitzbogen auf den Unterbau beziehen, muss offen bleiben. In jedem Fall scheinen beide Entwürfe tempel- bzw. kapellenartige Bauten vorzustellen, die sich möglicherweise bereits auf die Ausführung der Tageszeiten als Wandmalerei beziehen. Der Entwurf eines allumfassenden Baues erinnert an Runges bereits 1803 formulierter Idee eines eigenen Gebäudes für seinen Tageszeitenzyklus: „Meine vier Bilde, das ganze Große davon und was daraus entstehen kann: kurz, wenn sich das erst entwickelt, es wird eine abstracte mahlerische phantastisch=musikalische Dichtung mit Chören, eine Composition für alle drey Künste zusammen, wofür die Baukunst ein ganz eignes Gebäude aufführen – sollte.“ (Anm. 2)

Peter Prange

1 Der kleine Morgen, ÖL/Lw, 109 x 85,5 cm, Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 1016, vgl. Traeger 1975, S. 433, Nr. 414, Abb.
2 Brief an Daniel vom 22. Februar 1803, vgl. HS II, S. 202.

Details zu diesem Werk

Bleistift; Quadrierung in Bleistift 624mm x 283mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34208 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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