Philipp Otto Runge

Die Nacht. Oberer Teil der Komposition (Studie zur Folge der "Zeiten"), 1802 - 1803

Dass die „Nacht“ (Inv. Nr. 34179) bis Anfang April vollendet war, dafür spricht auch das vorliegende Blatt, in dem Runge die Figur der Luna noch einmal grundlegend verändert hat. Statt der aufsteigenden Luna, die Berefelt von der Madonna aus Tizians „Assunta“ hergeleitet hat (Anm. 1), erscheint sie nun als beruhigte Sitzfigur, die ihren Schleier umfasst und an ihre Brust führt. Diese Ausgestaltung der „Nacht“ blieb für die nun folgenden Entwürfe verbindlich, doch setzen die Mohnstengel auf Inv. Nr. 34180 weiter oben an und fächern daher flacher aus.
Stilistisch in der lockeren Zeichenweise der „Nacht“ (Inv. Nr. 34179) nahe stehend, lässt sich die Zeichnung mit jenem Brief an Tieck von Anfang April 1803 in Verbindung bringen, indem Runge davon berichtet, dass er den „Abend“ noch einmal verändert habe, und die Figur der Nacht in ihm selbst „auch ganz fertig“ habe (Anm. 2). Am 6. April schreibt Runge an Daniel, dass er „noch die weibliche Figur in meiner Nacht zu ändern“ hätte (Anm. 3), was bedeutet, dass die Zeichnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeführt war. Am 20. April erwähnte Runge gegenüber Besser, dass er „vorgestern an der Nacht arbeitete“ (Anm. 4), was wahrscheinlich auf Inv. Nr. 34180 zu beziehen ist.
Das Blatt entspricht zudem einer Beschreibung Runges in einem Brief an Carl Schildener, indem er ihm anbietet, eine Teilkopie in ein Gemälde umzusetzen: „Ich würde Ihnen z. B. eine Gruppe herausziehen, wo der gestirnte Himmel und der ruhige Mond durch eine Reihe von Gestalten ausgesprochen ist (in meiner Nacht), wo ich mir die Gradation oder Folge von Entfernung und Annäherung in der Gebehrdung der Figuren ausgeführt immer sehr schön vorgestellt habe; ich würde es so schließen, daß es auch ein Bild für sich allein seyn könnte.“ (Anm. 5) Runge hatte das Verfahren, etwas „heraus zu ziehen“, bei der Mittelgruppe des „Tages“ (Anm. 6) angewendet (vgl. Inv. Nr. 34178), was auch die obere Gruppe der Nacht möglich erscheint, doch ist eine Ausführung als Malerei bisher nicht bekannt geworden.

Peter Prange

1 Berefelt 1961, S. 209.
2 Brief vom 3. April 1803 an Tieck, vgl. HS I, S. 39.
3 Brief vom 6. April 1803 an Daniel, vgl. HS II, S. 207.
4 Brief vom 20. April 1803 an Besser, vgl. HS II, S. 212.
5 Brief vom 13. April 1805 an Schildener, vgl. HS I, S. 195.
6 Der Tag. Mittelgruppe auf Goldgrund, Öl auf Pappe, 31,1 x 26,3 cm, Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 1025, vgl. Traeger 1975, S. 362, Nr. 285, Abb.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz über Bleistift 445mm x 519mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34180 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Philipp Otto Runge