Philipp Otto Runge

Der Tod Duthmaruns (Illustration zu "Ossian"), um 1805

Die Darstellung zu Vers 91-177 im zweiten Gesang von Cathloda hat Runge in seinem Konzept für Graf Stolberg wie folgt wiedergegeben: „7. Fingal läßt den Schild sinken; Duthmarun, verwundet, stirbt; Ullin erhebt das Lob seines Geschlechts (er singt den Ahn Duthmarun’s, Colgorm, der Strinadona liebte, für sie den Vater verließ und den Bruder erschlug, aber sie war seine Leuchte in der wüsten Zeit seines Lebens.) Die Helden umgeben ihn trauernd. – V. 91-177.“ (Anm. 1) Die danach ausgeführte Zeichnung hat Daniel beschrieben: „8) links sitzt ein Krieger sinnend; im Hintergrunde bewaffnetes Volk. In der Mitte steht ein andrer, sorgenvoll vor sich hin auf den Schild niedersehend; dann Fingal, von einem hohen Gedanken erfüllt, den Speer emporhebend; vor ihm ist Duthmarun im Erzählen niedergesunken. Rechts unter einer kahlen überhangenden Eiche stehen und sitzen die wehmuthsvollen Helden.“ (Anm. 2) Ähnlich wie zu Inv. Nr. 34145 hat Runge auch hier in dem für Stolberg bestimmten Konzept für die Szene eine Naturschilderung beigegeben, die „einigermaßen musikalischen Phantasien ähnlich“ (Anm. 3) etwas von der romantischen Grundstimmung wiedergeben sollte: „* Die gequollene Frucht in der Erde fürchtet des kehrenden Winters Muth; doch höher steiget die Sonne, und durch Wirbel der kräuselnden Wolken strahlet roth ihr Licht. Es dehnen sich in der Spalte des dampfenden Felsens die Kerne, die Frucht der Eiche mit starken Aesten, und der wogenden Buchenwälder. Von Bergen stürzen in die Schlucht die Wasser der Höhe über den Nebel hin, und unten im Schooße des Thals regt sich das kommende Jahr. Hoch ragt nackend ein hoher Fels seit Jahrtausenden, und die bemoos’ten Wände des andern dampfen im Glanze der Sonne. Die Wurzeln der Bäume, quillend, stürzen Feslstücke durch rauschende Ströme hin; hochaufbrauset der Strom, rollet sie mit sich fort in die brandende See. Bäume mit quellenden Knospen und Keime des neuen Jahres liegen mit den Felsen gestürzt; andre hasten im Schoos der weichen Erde, haben die Rinde durchbrochen, grün und lieblich strecken sich Blättchen heraus. Aber vergangen ist der volle Kern des gewaltigen Baums; er hielt fest in sich geschlossen Stamm, Blatt und Blüthe. Du aber, kehrende Sonne, dampfest dem entsprungenen Keim warmen Abendthau.“ (Anm. 4)
Die Zeichnung ist das zeichnerisch am differenziertesten ausgearbeitete Blatt der Folge, Runge hat zwei verschiedene Tinten verwendet und als einziges Blatt zeigt es den Einsatz des Pinsels. Die Felsformation rechts im Vordergrund ist mit dem Pinsel ausgezeichnet, und trägt ähnlich wie die versammelten Krieger im Hintergrund, die in brauner Feder ausgeführt sind, zu einer klaren Gliederung der Raumgründe bei. Reste von Pinselarbeit finden sich auch an der Figur Fingals entlang des Federumrisses an verschiedenen Stellen – besonders sichtbar an seinem Speer -, wo Runge offenbar eine ausführlichere Ausarbeitung plante, die jedoch unterblieb.
Traeger hat das Blatt hypothetisch mit Runges Nachricht von Mitte Juni 1806 zu verbinden versucht, er habe noch eine Skizze zum Ossian gemacht (Anm. 5). Die Identifikation mit der in Wolgast entstandenen Skizze ist vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil Runge ausdrücklich von „Skizze“ spricht, das vorliegende Blatt in seinem differenzierten Grad der Ausarbeitung dieser Definition aber widerspricht. Auch die von Daniel überlieferte Datierung „1805“ steht einer solchen Annahme entgegen, so dass eher anzunehmen ist, dass die acht überlieferten Zeichnungen zu den Gesängen von Cathloda nach Tiecks Absage, die wohl im April 1805 eintraf, entstanden sind, als Runge das Projekt eigenständig weiterführte. Die Mitte Juni 1806 erwähnte Skizze muss als verloren gelten, wie überhaupt die zeichnerische Ausbeute seiner über Jahre bis zum Frühjahr 1808 sich hinziehenden Beschäftigung mit dem Thema „Ossian“ (vgl. Inv. Nr. 34141) dürftig ist. Geht man davon aus, dass die acht großformatigen Zeichnungen zu den Gesängen von Cathloda noch 1805 entstanden sind, so ist keine Zeichnung überliefert, die Runges Beschäftigung mit dem Thema in den folgenden Jahren belegt bzw. dokumentiert. Dies könnte bedeuten, dass sich Runge nach 1805 nur mehr sehr am Rande mit dem Thema beschäftigt hat, er möglicherweise gar keine Zeichnungen mehr angefertigt hat, oder – und diese Möglichkeit hat mehr Wahrscheinlichkeit – Daniel hat entsprechende Zeugnisse zurückgehalten bzw. aus den Zeichnungen aussortiert, die für den Nachlass bestimmt waren.


Peter Prange

1 HS I, S. 270.
2 HS I, S. 268.
3 HS I, S. 269.
4 HS I, S. 270-271.
5 Brief vom 14. Juni 1806 an Daniel, vgl. HS I, S. 265.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz und Braun über Bleistift, Pinsel in Braun 527mm x 723mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34148 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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