Adriaen Brouwer, Zeichner

Figurenstudien, 1626 - 1630

Wie von Knuttel hervorgehoben, ist das zeichnerische Œuvre Adriaen Brouwers nur in seinen Ansätzen rekonstruierbar: Signierte Zeichnungen des Künstlers sind bislang nicht bekannt.(Anm.1) Die kleine Gruppe von Studienblättern aus der Haarlemer Schaffensphase (1626–30), der auch die Hamburger Zeichnung zugerechnet wird, besteht lediglich aus Zuschreibungen. Brouwers Autorschaft wird aufgrund der sicheren, energischen und geistreichen Faktur vorausgesetzt. Weitere dieser wohl aus einem Skizzenbuch stammenden Zeichnungen befinden sich in Berlin, Dresden und London.(Anm.2) Ein verwandtes Blatt in etwas kleinerem Format wird in Besançon verwahrt.(Anm.3)
Ob es sich bei diesen Zeichnungen um Skizzen nach dem Leben oder eigene Ideen handelt, ist kaum sicher festzustellen. Die etwas altmodischen Kleider, die ebenso wie die drastische Körpersprache und die karikaturhaften Gesichter an Werke Pieter Bruegels erinnern, deuten eher auf eine Entstehung „uyt den gheest“.(Anm.4)
Ein konkreter Gemäldebezug ist in den seltensten Fällen nachzuweisen, doch kann man davon ausgehen, dass Brouwer für seine Bilder auf Materialsammlungen wie diese Figurenskizzen zurückgriff.(Anm.5) So erinnert die zweimal in Graphit angelegte und zweimal zusätzlich mit Feder übergangene „Zahnoperation“ an thematisch verwandte Gemälde des Künstlers.(Anm.6) Auch die anderen Figuren wurden in verschiedenen Techniken variiert. Das Motiv des stehenden, in Betrachtung einer Zeichnung oder eines Druckes versunkenen Mannes wurde ebenfalls zunächst zweimal in Graphit skizziert und anschließend mit Feder in zwei separaten Studien auf das Blatt gesetzt. Dabei wirkt der Strich der Graphitzeichnungen suchender als bei den Varianten in Feder, bei den es sich offensichtlich um geklärte Fassungen handelt.
So können Zeichnungen wie das Hamburger Blatt gut die verschiedenen Stufen des schöpferischen Prozesses vor Augen führen. Auffällig ist die von Brouwers Gemälden grundsätzlich verschiedene Sichtweise: Während diese auf größtmögliche Akuratesse angelegt waren, kennzeichnet die Zeichnungen der flüchtige, auf die wesentlichen Linien reduzierte Strich.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Gerard Knuttel: Adriaen Brouwer. The Master and his Work, Den Haag 1962, S. 167.
2 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 2299, Inv.-Nr. KdZ 1374 und Inv.-Nr. KdZ 5391, Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Wien, Kunsthistorisches Museum, 1992/93, Nr. 124.1; Gerard Knuttel: Adriaen Brouwer. The Master and his Work, Den Haag 1962, Abb. 115; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1217; London, Victoria & Albert Museum, Inv.-Nr. Dyce 393.
3 Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie, Inv.-Nr. D 63, Gerard Knuttel: Adriaen Brouwer. The Master and his Work, Den Haag 1962, Abb. 117, 118.
4 Vgl. Gerard Knuttel: Adriaen Brouwer. The Master and his Work, Den Haag 1962, S. 167 und 170. Die Orientierung an Bosch und Bruegel war keine Ausnahme im Haarlem der 1620er Jahre.
5 Gerard Knuttel: Adriaen Brouwer. The Master and his Work, Den Haag 1962, S. 167 und 170 und Robels, in: Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Wien, Kunsthistorisches Museum, 1992/93, S. 516.
6 Robels, in: Ausst.-Kat. Köln/Antwerpen/Wien 1992/93, S. 516 verweist auf je ein Gemälde aus ehemaligem Privatbesitz in Amsterdam und in den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz-Wien, Inv.-Nr. GE 539, Bode 1924, Abb. 26 und Gerard Knuttel: Adriaen Brouwer. The Master and his Work, Den Haag 1962, Abb. 105.
7 Vgl. Gerard Knuttel: Adriaen Brouwer. The Master and his Work, Den Haag 1962, S. 167.

Details zu diesem Werk

Graphit, Feder in Braun, braun laviert; Reste von Einfassungslinien (Feder in Braun) 220mm x 330mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34130 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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