Philipp Otto Runge

Kompositionszeichnung zum Gemälde "Die Hülsenbeckschen Kinder", 1805

Unter den „Familienbildern“ erwähnt Daniel auch ein Gemälde im Besitz seines Kompagnons Friedrich August Hülsenbeck, das drei seiner Kinder darstellt: „Man sieht auf diesem sehr großen Gemählde drey der Kinder seines Freundes Hülsenbeck. Vor dessen Garten in Eimsbüttel ziehen zwey derselben, die älteste Tochter und ein Knabe, den noch ganz unmündigen jüngsten im Kinderwagen, über welchen hin sich links eine Sonnenblumenpflanze hoch erhebt. Hinter den Kindern über das Gartenstakett weg geht die Aussicht auf die Stadt Hamburg hinaus.“ (Anm. 1) Darüber hinaus führt Daniel „ auch eine Zeichnung in Federumrissen mit einiger Abweichung“ (Anm. 2) an, die mit Inv. Nr. 34127 identisch ist. Im Gemälde ließ Runge die rechts am Rand winkende Frau und die Haube des im Wagen sitzenden Kindes weg, dessen Arm- und Fußhaltung im Gemälde ebenfalls etwas verändert wurde. Auch die Armhaltung des stehenden Mädchens hat Runge im Gemälde so abgeändert, dass seine Hand hinter ihrem Bruder links sichtbar ist. Auf der Zeichnung zieht es mit beiden Händen am Wagen, was eine etwas unnatürliche Armhaltung ihres Bruders bedingt, der ebenfalls mit einer Hand an der Deichsel zieht.
Von den fünf Kindern Hülsenbecks zeigen Gemälde und Zeichnung nach Schümanns Identifizierung im Wagen den 1803 geborenen Sohn Friedrich und an der Deichsel die 1800 geborene Tochter Maria und den 1801 geborenen, bereits 1806 wohl unmittelbar nach Fertigstellung des Gemäldes verstorbenen Sohn August (Anm. 3). Unverändert in das Gemälde übernommen hat Runge den Ausblick aus dem Garten des damals in Eimsbüttel vor den Toren der Stadt gelegenen Sommerhauses; vom Garten sieht auf die Silhouette der Stadt, Schümann zufolge von rechts nach links die Türme von St. Katharinen, St. Nicolai, St. Petri, und bereits durch das Blattwerk der Sonnenblume verdeckt, den Turm von St. Jacobi (Anm. 4). Die sachliche, vedutenhafte Erfassung der Stadtsilhouette steht im Gegensatz zu den stimmungsvolleren Landschaften auf anderen Familienbildnissen, Berefelt deshalb hat für die „Hülsenbeckschen Kinder“ auf den Einfluss der realistischen Tendenzen bei Juel, aber auch bei Hardorff hingewiesen (Anm. 5).
Das Gemälde hatte Runge am 16. Oktober 1805 angefangen zu malen (Anm. 6), und am 2. November berichtete er seinem Bruder Karl, dass er ein Bild „von Hülsenbecks 3 Kinder[n mache], worauf die beyden größten das Kleine im Garten fahren, wo bey der Garten und Hamburg alles Portrait ist, und wird viel Effect machen.“ (Anm. 7) Die Umrisszeichnung wird allgemein als Vorzeichnung zum Gemälde angesehen, die dann vor dem 16. Oktober 1805 entstanden sein dürfte; einzig Schümann nahm an, dass das Blatt „als Vorzeichnung für einen nicht ausgeführten Linienstich angelegt worden“ sei (Anm. 8). Für eine Entstehung der Zeichnung nach dem bis zum 19. März 1806 vollendeten Gemälde gibt es aber keine Anhaltspunkte; es fehlen Übertragungsspuren, vor allem aber die Bereinigung der erwähnten kompositorischen Schwächen sprechen für eine Entstehung vor dem Gemälde. Runges benutzte die Zeichnung im Sinne eines Kartons, der mit Hilfe der Quadrierung auf die Leinwand übertragen wurde.

Peter Prange

2 HS I, S. 365.
3 Schümann, in: Kat. Hamburg 1969, S. 280.
4 Schümann, in: Kat. Hamburg 1969, S. 280.
5 Berefelt 1961, S. 139. Vgl. Gerdt Hardorff, Blick von der Alster auf Hamburg, Bleistift, Feder in Braun, Maße???, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 42949.
6 Brief vom 15. Oktober an Carl Friedrich Bassenge, vgl. Philipp Otto Runge. Briefe in der Urfassung, hrsg. von Karl Friedrich Degner, Berlin 1940, S. 279.
7 Brief vom 2. November 1805 an Karl, vgl. Degner 1940, S. 281.
8 Schümann, in: Kat. Hamburg 1969, S. 281.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz über Bleistift, quadriert 554mm x 612mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34127 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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