Raffaello Sanzio Morghen, Radierer
nach Giovanni Battista del Era, Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder

Die Verklärung Christi - Transfiguration, 1795/96

Der Kupferstecher Raphael Morghen ist nach seinem Schwiegervater Giovanni Volpato sicher der profilierteste Reproduktionsgraphiker des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Italien. Seine genauen Wiedergaben von Werken alter und zeitgenössischer Meister, allen voran diejenigen nach den Werken Raffaels, fanden europaweite Verbreitung und höchste Bewunderung. (Anm. 1)
Morghen begann 1795 nach einer Zeichnung von Antonio dell’Era eine erste Druckgraphik nach Raffaels Verklärung Christi (Inv.-Nr. 3142), die er aber vor Vollendung der Partien um den verklärten Christus verwarf, da ihm die vorliegende Zeichnung von Giovanni Battista dell’Era zu viele Ungenauigkeiten zu enthalten schien, was sich 1796 nach der Überprüfung vor dem Original in Rom bestätigte. (Anm. 2) Der vorliegende Probedruck zeigt einen Zustand mit der Ausarbeitung weiter Teile der unteren Figurengruppe, jedoch vor der Vollendung der Verklärungsszene. Das vorliegende Blatt – laut Niccolò Palmerini wurden 200 Exemplare abgezogen – zeigt den Zustand, den der Künstler erreicht hatte, bevor sein Sohn Antonio Morghen die Platte weiter bearbeitete und, eventuell nochmals mit der Unterstützung Raphael Morghens, beendete. Antonio Morghen verkaufte die Platte an den Kunsthändler Dominicus Artaria in Mannheim, der sie versehen mit einer Widmung an den Grafen Moritz von Fries veröffentlichte und vertrieb (Inv.-Nr. 2021-6). (Anm. 3) Artaria gab den Druck als eine alleinige Originalarbeit Raphael Morghens aus, wie bei Georg Kaspar Nagler vermerkt ist. (Anm. 4) In Privatbesitz hat sich ein in der Literatur bis lang unbeschriebener Abdruck dieser vollendeten ersten Platte vor der Widmung erhalten, der einen besonders tiefen und gratigen Druck aufweist. Hier firmieren bereits Raphael und Antonio Morghen als Stecher. (Anm. 5) Durch seinen Schwiegervater Giovanni Volpato kam Raffael Morghen in den Besitz einer besseren Zeichnung nach Raffaels Gemälde von Stefano Tofanelli, der ihm auch gute zeichnerische Vorlagen der Malereien in den Stanzen lieferte, und begann auf einer weiteren Platte erneut mit der Arbeit (Inv.-Nr. 50040). Morghen sah die Verklärung Christi während seines Aufenthaltes in Paris nochmals im Original und vollendete das Blatt dann 1811 mit einer Widmung an Napoleon, den er dadurch für weitere Aufträge zu gewinnen trachtete. (Anm. 6)
Raphael Morghens Stichtechnik wurde schon von den Zeitgenossen hoch gelobt, seine Drucke waren bei Sammlern höchst begehrt. Im Nachruf des Künstlers im Kunstblatt findet sich 1833 dazu folgende treffende Charakterisierung seiner Stichtechnik: „Die Vereinigung der Anwendung der kalten Nadel und des Grabstichels ist in seinen Werken in höchster Vollendung ausgeführt. Er entwarf seine Umrisse leicht und sicher; seine Taillen, durchgeführt und gebrochen, zeigen fast durchgehend das innigste Verständnis des Malerischen, sowie die verschwisterte Kunst es in sich aufnehmen kann und darf. Nirgend[s] ist Schroffheit, nirgend[s] tadelnswerthe Vernachlässigung – andere Künstler mögen glänzendere und größere Effekte hervorgebracht haben, aber keiner unter ihnen hat das Fleisch so zu behandeln verstanden wie Raffael Morghen.“ (Anm. 7)
Andreas Stolzenburg

LIT (Auswahl): Palmerini 1824, S. 144, Nr. 176 (Auflage: 200 Drucke); Nagler 9
(1840), S. 480–481, Nr. 94; Meyer 1878, S. 92; Bernini Pezzini/Massari/Prosperi
Valenti Rodinò 1985, S. 179, Nuovo Testamento, Nr. 10; Höper 2001, S. 276, Nr.
C 22.14B, Abb. 111 auf S. 87 (mit älterer Lit.)

1 Ein umfangreiches Konvolut von 400 Stichen Morghens aus dem Besitz von Giuseppe Bossi befindet sich seit 1811 in der Kunstsammlung der Accademia di Brera in Mailand; Volpi 1996. Zu Bossi und Raffael vgl. Ausst.-Kat. Mailand 2020.
2 „Gleichsam als hätte Raphael [Morghen; Anm. d. Verf.] sich nach den Beschwerden so mühseliger Arbeiten durch würdige, großartige Aufgaben entschädigen wollen, unternahm er nun zwei wichtige Werke, den Stich des Bildes la Madonna del Sacco nach Andrea del Sarto und die Transfiguration, beide im Jahre 1795. […] An der Platte der Transfiguration hatte Morghen bereits ein Jahr gearbeitet, als er nach Rom reiste, um die Anlage des Stichs mit dem Original zu vergleichen, und er fand zu seiner großen Betrübniß, daß die Copie des Antonio dell’Era, nach welcher er gestochen hatte, äußerst untreu war; dahingegen besaß ein Schwiegervater Volpato, der ebenfalls die Absicht hegte dies Bild zu stechen, eine Zeichnung darnach von Tofanelli, welche dieser während der Zeit gemacht hatte, als das Bild von seinem Platze in St. Pietro in Montorio genommen worden war, um nach Paris gesendet zu werden; und Raphael hatte den Muth, seine Arbeit ganz wegzuwerfen, und Volpato die Gefälligkeit, ihm diese genaue Zeichnung zu überlassen.“; Quandt 1826, S. 228.
3 „Fece poi in seguito il Morghen le estremità della figura del Salvatore e qualche altro ritocco nell’abbandonato rame della Trasfigurazione che fu termi nato dal di lui fratello Antonio, avendolo acquistato Domenico Artaria di Mannheim uno de’ primi negozianti di stampe d’ Europa. Di quest’opera lasciata pressochè alla metà del lavoro ne furono tirati circa ducento esemplari, oltre le pochissime prove di semplice acquaforte.“; Ferrario 1836, S. 223.
4 Nagler 9 (1840), S. 480–481. Nagler bezieht sich bei dieser Überlieferung auf Stefano Ticozzis Dizionario degli architetti, scultori, pittori […]; Ticozzi 4 (1833), S. 142.
5 Unterhalb der Darstellung dieses Druckes vor Anbringung der Widmung findet sich nur die Angabe der Künstlersignaturen; unten links: „Raphael Sanctius pinx.“, unten rechts: „Raphael et Antonius Morghen Sculp:“; Vergleichsexemplar im British Museum in London, Inv.-Nr. 1843,0513.1050.
6 Siehe Murgia 2011.
7 Rt [nicht aufgelöst], in Kunstblatt Nr. 53 v. 2. 7. 1833, S. 211–212.

Details zu diesem Werk

Radierung, Kupferstich 784mm x 530mm (Blatt) 739mm x 490mm (Bild) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 3142 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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