Eduard Mandel, Stecher, Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
C. Schulgen-Bettendorff, Drucker

Madonna mit Kind, sog. Madonna Colonna, 1855

Das vorliegende Blatt entstand nach Raffaels sog. Madonna Colonna. Das Gemälde, welches 1827 in den Bestand der königlichen Sammlung zu Berlin überging, wird auf 1507 bis 1508 datiert und entstand damit am Ende von Raffaels Florentiner Schaffenszeit. Seinen Namen verdankt das Werk Herzogin Maria Colonna Lante Montefeltro della Rovere, in deren Besitz es sich zuvor befand. (Anm. 1) Es zeigt die sitzende Madonna als Dreiviertelfigur in einer Landschaft. In ihrer linken Hand hält sie ein Buch, von welchem sie den Blick auf den Christusknaben auf ihrem Schoß wendet. Dieser dreht den Kopf zu den Betrachtenden und scheint im Begriff, sich entweder durch den Griff in das Gewand seiner Mutter aufzurichten oder aber sich in ihren Arm sinken zu lassen. In der Forschung ist diese prinzipiell verschiedene Lesarten ermöglichende Komposition als typisch für Raffael herausgestellt worden. (Anm. 2) Gegenstand vieler Diskussionen ist auch der Zustand des Gemäldes, da Partien beispielsweise im Bereich des Haares der Madonna oder ihrer linken Hand vergleichsweise hart bzw. linear und dadurch unvollendet wirken. (Anm. 3)
Dieser Umstand fiel vermutlich auch dem Stecher Eduard Mandel ins Auge: Auf dem vorliegenden Blatt sind die entsprechenden Partien im Bereich der Haare der Figuren deutlich ausdifferenziert gearbeitet, sodass der Stich in seiner Gesamtheit beinahe geschlossener wirkt als das Originalgemälde.
Eduard Mandel begann seine Laufbahn als Kupferstecher in Berlin, wo er bereits 1837 zum Mitglied der dortigen Akademie ernannt wurde. In den 1840er Jahren folgte ein Aufenthalt in Paris, wo er sich unter anderem nach Auguste Gaspard Louis Boucher Desnoyers und bei Louis Pierre Henriquel-Dupont weiterbildete. In Deutschland galt er fortan als Vertreter der vergleichsweise linearen und harten französischen Manier des Kupferstechens. Die nach seiner Rückkehr nach Berlin publizierten Blätter nach Alten Meistern, zu denen auch dieser Stich zählt, waren für ihre herausragende Qualität in Bezug auf die Ausführung und künstlerische Gesamtwirkung sowie für die Nähe zum Original bekannt. (Anm. 4) Das vorliegende Blatt wurde interessanterweise durch den Stecher selbst vertrieben, wie aus der Bezeichnung hervorgeht. Rund zwei Jahre nach Erscheinen als Einzelblatt wurde der Stich noch einmal als Jahresgabe des Museums für Kunst und künstlerische Interessen für das Vereinsjahr 1857/1858 veröffentlicht und an die Mitglieder ausgegeben. (Anm. 5) Zu diesem Zeitpunkt war Mandel bereits seit 1842 Professor für Kupferstecherkunst und seit 1856 ins Amt des Direktors des Kupferstich-Institutes der Akademie zu Berlin aufgestiegen. (Anm. 6) Das vorliegende Blatt zeugt durch seine hohe Qualität in Bezug sowohl auf die künstlerische wie auch die technische Ausführung von den Fähigkeiten Eduard Mandels als Kupferstecher. Die damalige Wertschätzung des Kupferstechers Mandel zeigt sich auch daran, dass er an der Fassade der 1869 eröffneten Hamburger Kunsthalle direkt über dem Haupteingang mit einem Bildnismedaillon bedacht wurde.
Klara Wagner

IT: Apell 1880, S. ##, Nr. 257; Höper 2001, S. 299, Nr. D 20.3 (Druck von J. Becker, Berlin)

1 1507/08, Öl auf Pappelholz, 77 x 56 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie; Meyer zur Capellen 2001, S. 264–266, Nr. 36. Das Gemälde erhielt in Berlin zusammen mit der Madonna Solly einen von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Rahmen im Renaissance-Stil, der sich nach wie vor in Berlin befindet, jedoch 1993 durch einen alten Rahmen des 16. Jahrhunderts ersetzt wurde: Ausst.-Kat. Berlin 2020, S. 44, Nr. 8.
2 Ausst.-Kat. Wien 2017, Kat. 31, S. 132.
3 Ausst.-Kat. Berlin 2020, S. 44, Nr. 8; Ausst.-Kat. Wien 2017, S. 132, Nr. 31; Meyer zur Capellen 2001, S. 44, Nr. 36. In der neueren Literatur wird jedoch stets von einem vollendeten Zustand des Gemäldes ausgegangen.
4 Meyers Großes Konversations-Lexikon 13 (1908), S. 209–210. 1844 und 1855 erhielt Mandel Medaillen zweiter Klasse auf dem Salon in Paris; vgl. van der Heyden 2015, S. 536. 5 Höper 2001, S. 299, Nr. D 20.3.
6 Van der Heyden 2015, 536; vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon 13 (1908), S. 209–210.

Details zu diesem Werk

Kupferstich, Radierung, Nadelschrift 281mm x 207mm (Bild) 435mm x 329mm (Platte) 632mm x 463mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 26540 Sammlung: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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