Johann Adam Klein

Ungarische Pfannenflicker in Streitberg, 1816

Ungarische Drahtbinder, von Klein Pfannenflicker genannt, hat Klein während seiner zwei Aufenthalte in Wien wiederholt dargestellt. Sie kamen aus dem ärmeren Norden des damaligen Königreichs Ungarn, zumeist aus den unfruchtbaren Berggegenden des Komitats Trentschin in der heutigen Westslowakei, und machten sich aus Mangel an Erwerbsmöglichkeiten auf Wanderschaft. In den ungarischen und österreichischen Städten priesen sie ihr Handwerk an, das Flicken von zerbrochenem Geschirr (Anm. 1). Sie trugen die groben Tuchanzüge aus dem mittleren Waagtal – lange enge Hosen (Gatyen), einen langen groben Kittel (halena) und Bundschuhe.
Das Hamburger Blatt mit den zwei Drahtbindern entstand während Kleins zweitem Wienaufenthalt am 20. Juli 1816 in Streitdorf bei Hollabrunn in Niederösterreich. Dort besuchte er Georg Pischinger, den Verwalter der Herrschaft Streitdorf, mit dem er seit 1813 befreundet war. Klein selbst schrieb in seiner Autobiopgraphie: „Pischinger war Verwalter der Herrschaft Streitdorf bei Hollabrunn an der Hauptstraße nach Böhmen […]. In dem ich mich zuweilen mehrere Wochen bei diesen Freunden aufhielt, hatte ich Gelegenheit die Gastfreundschaft der Östreicher in ihren Ganzen Umfang kennen zu lernen. Sie verschafften mir überdies alle Bequemlichkeiten beim Naturzeichnen du. Pferde du. Wägen waren immer zu meiner disposition. Dabei hatten die Bauern vor den Abreiser oder Abinschenirer einen großen Respect ud. suchten allen meinen Wünschen zuvorzukommen.“ (Anm. 2) Nachdem Klein zusammen mit Erhard in der zweiten Junihälfte nach Wien aufgebrochen war, machte er bereits im Juli Ausflüge in die Umgebung. In Streitdorf entstanden bei dieser Gelegenheit weitere Zeichnungen, am 19. Juli ein Blatt mit Brunnenbohrern (Anm. 3), am 25. Juli die Ansicht eines Bauernhofes (Anm. 4).
Bereits während seines ersten Aufenthalts in Wien hatte Klein wiederholt ungarische Drahtbinder gezeichnet, die frühesten Darstellungen stammen aus dem Jahre 1812 (Anm. 5), die Klein auch für im gleichen Jahr entstandene Radierungen verwendete (Anm. 6). Eine weitere Studie mit ungarischen Drahtbindern aus dem Jahre 1812 befand sich Ende der 90er Jahre im Kunsthandel (Anm. 7). Am 27. Januar 1815 entstand ein Aquarell mit einem Drahtbinder, das den Vermerk „aus dem Trentschiner Comitat“ trägt (Anm. 8). Wohl aus dem Jahr 1816 stammen zwei weitere Blätter mit Drahtbindern (Anm. 9), die Klein ebenso wie das Hamburger Blatt für das 1835 entstandene Aquarell mit zwei beladenen ungarischen Frachtwagen verwendete (vgl. Inv. Nr. 23477).
Eine mit dem Hamburger Blatt nahezu identische Zeichnung, die ebenfalls am 20. Juli 1816 in Streitdorf entstand, befindet sich im Wienmuseum (Anm. 10). Sie ist nur in Bleistift ausgeführt und dürfte als unmittelbare Naturstudie dem Hamburger Blatt voraus gegangen sein, das Klein wohl zu Verkaufszwecken zusätzlich mit der Feder weiter ausgearbeitet hat. Eine Studie (?) auf Transparentpapier zu dem rechts Liegenden befindet sich in Nürnberg (Anm. 11).

Peter Prange

1 Vgl. allgemein zu den ungarischen Drahtbindern, Renate Freitag-Stadler: Johann Adam Klein 1792-1875. Zeichnungen und Aquarelle, Bestandskatalog der Stadtgeschichtlichen Museen Nürnberg, Nürnberg 1975, S. 121-122, Nr. 133.
2 Eigenhändig abgefaßte Biographie, in: Wilhelm Schwemmer: Johann Adam Klein. Ein Nürnberger Meister des 19. Jahrhunderts, Nürnberg 1966, S. 12.
3 Brunnenbohrer, 1816, Bleistift, Feder und Pinsel in Schwarz, 152 x 204 mm, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, Inv. Nr. Norica 77, vgl. Freitag-Stadler 1975, S. 173, Nr. 234, Abb.
4 Bauernhof, 1816, Bleistift, Feder in Schwarz, Aquarell, 150 x 205 mm, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, Inv. Nr. Norica 138, vgl. Freitag-Stadler 1975, S. 173, Nr. 235, Farbtaf. S. 58.
5 Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv. Nr. C 1908-628 und Inv. Nr. C 1908-629.
6 Ungarischer Pfannenflicker, 1812; Zweiter Pfannenflicker, 1812, vgl. Conrad Jahn: Das Werk von Johann Adam Klein. Maler und Kupferätzer zu München, München 1863, S. 32-33, Nr. 83, und Nr. 84. Eine spiegelbildliche Kopie nach dem zweiten Pfannenflicker befindet sich in Nürnberg: Ungarische Pfannenflicker, 1815, Bleistift auf Transparentpapier, 128 x 98 mm, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Nr. Hz 716.
7 Ungarische Pfannenflicker, 1812, Bleistift, Aquarell (?), 145 x 178 mm, vgl. Arno Winterberg, Heidelberg, Auktion 54, 11.4.1997, Nr. 399, Abb.
8 Ungarischer Drahtbinder, 1815, Bleistift, Feder in Braun, Aquarell, 130 x 166 mm, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, Inv. Nr. Norica 51, vgl. Freitag-Stadler 1975, S. 121-122, Nr. 133, Abb.
9 Ungarische Drahtbinder, 1816, Bleistift, Feder und Pinsel in Braun, 134 x 200 mm, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, Inv. Nr. 12878, vgl. Freitag-Stadler 1975, S. 177, Nr. 243; Ungarische Drahtbinder, 1816, Bleistift, 133 x 193 mm, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, Inv. Nr. Norica 44, vgl. Freitag-Stadler 1975, S. 177, Nr. 244.
10 Ungarische Drahtbinder, 1816, Bleistift, 128 x 208 mm, Wien, Wienmuseum, Inv. Nr. HMW 116320. Für Auskünfte danke ich Ralph Gleis, Wien.
11 Ungarischer Pfannenflicker, Bleistift auf Transparentpapier, 65 x 123 mm, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, ohne Inv. Nr.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz über Bleistift 160mm x 207mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 23467 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Bildarchiv Hamburger Kunsthalle / bpk, CC-BY-NC-SA 4.0

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