Hendrick Goudt

Bathseba im Bad

Diese Zeichnung galt ungeachtet ihrer alten Beischrift lange als Arbeit Adam Elsheimers. Unter diesem Namen wurde sie noch bei Drost (1957) publiziert, der allerdings in der Gestaltung des Hintergrundes und dem etwas schematisch gestalteten Rücken der nackten Frau eine gewisse „Lahmheit“ beobachtete, die nicht ganz dem „Genius Elsheimers“ entspräche. Hans Möhle (1966) stellte diese Zuordnung erstmals in Frage und publizierte das Blatt unter dem Namen des Hendrick Goudt. Darauf verweist nicht nur die alte Bezeichnung „Gout“, die von späterer Hand zu „Rembrandt“ umgeformt wurde: Auch die alte Sammler- oder Händlerbeischrift auf der Rückseite des Blattes nennt Goudt als den Autor dieser Zeichnung.(Anm.1)
Heute wird Goudts Autorschaft weithin akzeptiert, die Zeichnung gilt als eine der „sichersten und gelungensten Arbeiten“ des Künstlers.(Anm.2) Deutlich zeigen sich die stilistischen Eigenarten im Vergleich mit Elsheimers Wiener Gouache desselben Themas, von der unsere Zeichnung in den wesentlichen Motiven abzuleiten ist.(Anm.3) So wirken die Figuren blockhafter, ihre Umrisse stärker schematisiert. Wie schon von Drost beobachtet, bleibt dies nicht ohne Schwächen: Als Folge der mehrfach übergangenen Kontur erscheint die Gesäßpartie der Bathseba für eine überzeugende Wiedergabe des beim Sitzen auflastenden Körpers zu sehr gerundet. Als Folge der durch modellierende Federstriche erarbeiteten Körperformen entstanden Pentimenti, beispielsweise im Bereich des ehemals stärker angehobenen linken Armes der Dienerin. Die Konturen ihres ursprünglich höher angesetzten Kopfes wurden nachträglich durch die Kopfbedeckung kaschiert.
Der Hintergrund ist mit knappem Federstrich summarisch angedeutet. Für den flächig wirkenden Baumschlag findet sich entsprechendes auf den Braunschweiger Landschaften Goudts.(Anm.4) Die bisweilen etwas sperrigen Linien lassen sich letztlich auf das Beispiel Elsheimers zurückführen, ebenso wie die knapp angedeutete Figur des im Hintergrund links zu erkennenden König David, der die badende Bathseba von einem Turm seines Palastes aus beobachtet (2. Samuel 11, 2).(Anm.5) In dieser stilistischen Ausrichtung sah Möhle einen Hinweis auf eine Entstehung in Italien unter dem Einfluss Elsheimers.(Anm.6)

Annemarie Stefes

1 Die rückseitige Zuschreibung mit Preisangabe („Goud – 2“) ist von gleicher Hand wie die Annotationen auf Inv.-Nr. 21670, 22735, 22252, 22547 und 23029 und geht wohl zurück auf einen holländischen Kunsthändler des frühen 18. Jahrhunderts. Stijn Alsteens konnte eine gleichartige Beischrift auf einer Vellert-Zeichnung in Frankfurt am Main identifizieren, Städel Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. N. 721, auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
2 Joachim Jacoby in einer E-Mail vom 16. 5. 2008.
3 Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 3345, Joachim Jacoby: Die Zeichnungen von Adam Elsheimer. Kritischer Katalog, hrsg. von Städel Museum Frankfurt, Graphische Sammlung, Frankfurt am Main 2008, Nr. 27.
4 Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. Z 72 bis Inv.-Nr. Z 75, Hans Möhle: Die Zeichnungen Adam Elsheimers. Das Werk des Meisters und der Problemkreis Elsheimer - Goudt, Berlin 1966, Nr. G 101–104.
5 Dieser Turm fehlt auf der Berliner Fassung des Themas (Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 4272, Joachim Jacoby: Die Zeichnungen von Adam Elsheimer. Kritischer Katalog, hrsg. von Städel Museum Frankfurt, Graphische Sammlung, Frankfurt am Main 2008, Nr. A 1), die von Keith Andrews: Adam Elsheimer. Werkverzeichnis der Gemälde, Zeichnungen und Radierungen, München 1985, S. 199 als Kopie klassifiziert wurde. Möglicherweise handelt es sich bei der Berliner Zeichnung um eine auf Elsheimers verschollene „Landschaft mit Venus und Amor“ (ehemals Sammlung Koenigs, Hans Möhle: Die Zeichnungen Adam Elsheimers. Das Werk des Meisters und der Problemkreis Elsheimer - Goudt, Berlin 1966, Abb. 34) zurückgehende Variation Gerrit Battems. Alternativ wurde das Blatt mit Hendrick Goudt in Verbindung gebracht, vgl. Joachim Jacoby: Die Zeichnungen von Adam Elsheimer. Kritischer Katalog, hrsg. von Städel Museum Frankfurt, Graphische Sammlung, Frankfurt am Main 2008, Nr. A 1. Bathseba wird im Gegensinn variiert auf Goudts ebenfalls in Berlin verwahrter Zeichnung „Venus und Amor“, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 4587, Hans Möhle: Die Zeichnungen Adam Elsheimers. Das Werk des Meisters und der Problemkreis Elsheimer - Goudt, Berlin 1966, Nr. G 66.
6 Hans Möhle: Die Zeichnungen Adam Elsheimers. Das Werk des Meisters und der Problemkreis Elsheimer - Goudt, Berlin 1966, S. 75; Joachim Jacoby: Die Zeichnungen von Adam Elsheimer. Kritischer Katalog, hrsg. von Städel Museum Frankfurt, Graphische Sammlung, Frankfurt am Main 2008, S. 46.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Pinsel in Braun und Grau 122mm x 112mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 23030 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Hendrick Goudt