Meister der Coburger Rundblätter

Illustrationen zum "Symbolium Apostolicum": Ausgießung des hl. Geistes, darunter Joel und Bartholomäus, um 1480

Das doppelseitig bezeichnete Blatt gehört zu einer Credo-Folge, die sechs Blätter mit den Sinnbildern der apostolischen Glaubenssätze in verschiedenen Sammlungen umfasst.(Anm. 1) Die Blätter gleichen sich im Aufbau: Unter einer jeweils von einem Rundbogen abgeschlossenen Szene befindet sich ein sockelartiger Raumkasten, in dem rechts der Autor des Credoartikels und links ihm gegenüber der typologisch zugehörige Prophet auf einer steinernen Bank sitzen. Sie halten eine Schrifttafel, auf der der Prophetenname und das Zitat der Prophetie, der Apostelname sowie der Glaubenssatz nebst einer Majuskel zur Darstellungszählung stehen.
Der Seitenaufbau entspricht weitgehend den Blättern der drei Blockbuchausgaben des „Symbolum Apostolicum“, auf denen ebenfalls großformatige Sinnbilder in einer oberen Zone und darunter Propheten und Apostel mit den zugehörigen Texten gegeben sind.(Anm. 2) Allerdings dürfte die Zeichnungsserie nicht auf ein Vorbild aus dem Bereich der Druckgraphik zurückgehen, denn auf einem Blatt in Chantilly trennt eine Säule zwei Szenen, weshalb anzunehmen ist, dass die zwölf Darstellungen zumindest paarweise gruppiert waren.(Anm. 3)
Das Hamburger Blatt steht in der Blattfolge an letzter Stelle. Die Folge war wohl Teil eines gehefteten Skizzenbuches, worauf Randstreifen auf den weniger stark be-schnittenen Blättern in Coburg deuten. Offensichtlich wurden zunächst alle Vorder-seiten mit Darstellungen gefüllt, danach die Rückseiten.
Harzen hatte für das Hamburger Blatt die alte Zuschreibung an Rogier van der Weyden (1399/1400–1464) übernommen, die bis ins 20. Jahrhundert gültig blieb, als erstmals Schenk zu Schweinsberg auf die Unterschiede in der Raumaufteilung und den Aktdarstellungen zu Rogiers Kunst hinwies und eine spätere Entstehung annahm. Er vermutete in den Blättern Entwürfe zu einer Holzschnittfolge aus der Nähe Hans Memlings (1425/30–1494).(Anm. 4) Danach hat Pauli 1926 als erster die gesamte Folge zusammengestellt und in ihr eine Entwurfsserie für Wandgemälde eines Malers in der Art des späten Dirk Bouts (1415/20–1475) oder des frühen Memling erkannt. Winkler hat 1930 den niederländischen Ursprung der Blätter bestritten und die Folge, die er für eine Handschriftenkopie hält, in das Werk des deutschen „Gewandstudienmeisters“ eingebunden. Diese Einschätzung vertrat auch Lugt – allerdings in Unkenntnis von Winklers Aufsatz –, der auf einige stilistische Parallelen zwischen der Folge und Blättern der deutschen Schule in Berlin hingewiesen hat und in der Folge Arbeiten eines niederrheinischen Künstlers nach einem niederländischen Vorbild vermutete.(Anm. 5 )Heute besteht Einigkeit über den deutschen Ursprung der Blätter, der auch von Sonkes 1969 und Andersson 1983 noch einmal mit Nachdruck bestätigt wurde. Die dabei von Sonkes vorgeschlagene Datierung ins beginnende 16. Jahrhundert hat Andersson zu­ Recht korrigiert; sie datierte die Folge um 1480 und brachte sie in die Nähe des Coburger Gottvater-Altarrisses.(Anm. 6) Andersson führte die Folge auf Vorlagen aus dem Bereich der Wand- oder Tafelmalerei bzw. Glasmalerei oder Tapisserie zurück und hielt sie für eine Notizensammlung, die der Zeichner auf seiner Wanderschaft gemacht habe. Für diese Annahme spricht auch, dass die Komposition mit der Herabkunft des Heiligen Geistes auf dem Hamburger Blatt auf Rogiers Verkündigungstafel in Paris zurückgeht, worauf Roth hingewiesen hat.(Anm. 7)

Peter Prange

1 Die anderen Blätter befinden sich in Coburg, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. Z 217 und Z 218, in Chantilly, Musée Condé, Inv.-Nr. 885 (308 ter) und 886 (308 quater), Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, KdZ 1005; zusammenfassend zu den Blättern zuletzt Roth 1988, S. 169–185.
2 Vgl. ebd., S. 169–170.
3 Mandrella 1999, S. 37–40, Nr. 2 und 3, Abb.
4 Eberhard Freiherr Schenck zu Schweinsberg: Die Illustration der Chronik von Flandern – Handschrift Nr. 437 – der Stadtbibliothek in Brügge und ihr Verhältnis zu Hans Memling, Straßburg 1922.
5 Frits Lugt: Beiträge zu dem Katalog der niederländischen Handzeichnungen in Berlin, in: Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen 52, 1931, S. 37.
6 Vgl. Andersson 1983, S. 388–393.
7 Max J. Friedländer: Early Netherlandish Painting. Comments and Notes by Nicole Veronée-Verhaegen, Bd. II, Leiden, Brüssel, New York 1967, Nr. 9, Taf. 17, vgl. auch Roth 1988, S. 184.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Beschriftung teilweise in Rot, Papier teilweise leicht rot eingefärbt 289mm x 144mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22720 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 15.-18. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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