Rembrandt Harmensz. van Rijn

Schauspieler mit breitrandigem Hut (Pantalone), um 1635 - 1639

Die Eigenhändigkeit der von Harzen als „geistreiche Studie“ Rembrandts beschriebenen Zeichnung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Pauli – „für Rembrandt selbst nicht bedeutend genug“ – und Stechow bezweifelt.(Anm.1) Seit ihrer Veröffentlichung durch Valentiner gilt Rembrandts Autorschaft jedoch als gesichert. Valentiner war auch für die ikonographische Bestimmung verantwortlich: Der von Harzen als „israelitischer Tempelschreiber“, von Hofstede de Groot (1906) als „Jude mit breitrandigem Hut“ beschriebene Typus verkörpert einen Schauspieler in der Rolle des „Pantalone“. Diese Figur repräsentiert in der „Commedia dell’Arte“ den eitlen, aber erfolglosen Liebhaber, der mit dem „Dottore“ und dem „Capitano“ zu der Gruppe der „Vecchi“ (Alten) gehörte. Derartige Stücke wurden in Holland auf Jahrmärkten unter freiem Himmel aufgeführt.(Anm.2)
Rembrandts „Pantalone“ trägt das charakteristische Kostüm, mit engen Hosen und langem Mantel. Am Gürtel des reichen Gecken sind ein Schlagstock („Baton“) und sein Geldbeutel befestigt. In ihren gespreizten Bewegungen erinnert die Figur an eine Radierung Callots, die dem Künstler inspirierend vor Augen gestanden haben kann.(Anm.3) Dort trägt „Pantalone“ eine Maske wie bei Aufführungen der „Commedia dell’Arte“ üblich.(Anm.4) Darauf verzichtet Rembrandt hier, jedoch entspricht die Physiognomie des Schauspielers mit Adlernase und Spitzbart in ihrer karikaturhaften Überzeichnung dem traditionell geprägten Typus.
Unsere Zeichnung gehört zu einer Gruppe von Schauspielerdarstellungen, die Rembrandt wohl in den mittleren 1630er Jahren gezeichnet hat. Auf drei dieser Studien ist ebenfalls der „Pantalone“ dargestellt: Die Zeichnung in Groningen zeigt ihn in gleicher Weise kostümiert wie auf dem Hamburger Blatt, ebenso wie das Verso einer Zeichnung in Amsterdam, während er auf dem Frankfurter Blatt einen zylinderförmigen Hut trägt.(Anm.5) Diese drei Zeichnungen unterscheiden sich von dem vorliegenden Blatt in der fehlenden Tuschlavierung. Vor allem das Amsterdamer Blatt stand in seinem szenischen Gehalt wohl in direktem Bezug mit einem Theaterstück.(Anm.6) Das Hamburger Blatt hingegen wirkt sorgfältiger gezeichnet und ist möglicherweise etwas später entstanden, als „vermutlich finale Variante einer Bilderfindung“.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Notiz in der Kartei des Kupferstichkabinettes.
2 Vgl. Wilhelm R. Valentiner: Komödiantendarstellungen Rembrandts, in: Zeitschrift für Bildende Kunst 35, 1925-1926, S. 265-277; vgl. Jan Steens gemalte „Dorfkirmes“, Den Haag, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis, Inv.-Nr. 664, oder die radierte „Jahrmarktsbühne“ des Constantijn Daniel van Renesse, H. 7.
3 Um 1618/19, J. Lieure, Jacques Callot, Catalogue de l'Œuvre gravé, Paris 1924-29, Bd. 4, Nr. 288.
4 Vgl. Röver-Kann, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000.
5 Groninger Museum, Inv.-Nr. 1931–187, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 2, Nr. 295; Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1961-76, ebd. Nr. 293; Frankfurt am Main, Städel Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 3089, ebd. Nr. 297.
6 Peter Schatborn: Tekeningen van Rembrandt, zijn onbekende leerlingen en navolgers, Catalogus van de Nederlandse Tekeningen in het Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum, Amsterdam, Bd. 4, Amsterdam 1985, S. 20.
7 Röver-Kann, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000. – Die anderen Schauspielerstudien sind unruhiger strukturiert, während der stehen gelassene Papiergrund und die flächige Lavierung der Hamburger Studie größere Klarheit verleihen. Für die Verbindung von feiner Schraffur, fließend bewegten Umrisslinien und breitem Pinselstrich ist unser Blatt vergleichbar dem um 1636–38 angesetzten „Kopf eines Orientalen“ in Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. RF 4688, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 1, Nr. 158, Rembrandt et son école, dessins du Musée du Louvre, Paris, bearb. v. Menehould de Bazelaire, Emmanuel Starcky Ausst.-Kat. Paris, Musé du Louvre, Cabinet des dessins 1988, Nr. 27.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Braun auf ehemals weißem Papier; Einfassungslinien (Feder in Braun) 185mm x 119mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22417 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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