Albert Meijeringh, zugeschrieben
Adam Pijnacker, ehemals zugeschrieben

Gebirgslandschaft mit böigem Regen, 1675 - 1685?

Harzen hielt die recto-Zeichnung für eine Arbeit aus Pijnackers „zweiter Manier“, während er die Stadtlandschaft auf dem Verso Albert Meijeringh zuschrieb. Letzteres wird durch die Gegenüberstellung mit verwandten Zeichnungen des Künstlers gestützt.(Anm.1) Es läge also nahe, auch das Recto Meijeringh zuzuweisen.(Anm.2) Jedoch lässt es sich keiner der bislang bekannten Werkgruppen direkt anschließen. Lediglich im Format und der „erhabenen“ Wirkung besteht ein gewisser Bezug zu einer Meijeringh-Zeichnung in Wien.(Anm.3) Für jenes Blatt zog Bisanz-Prakken aufgrund seiner dekorativen Qualitäten einen Zusammenhang mit einem Wandbilderzyklus in Betracht.(Anm.4)
Eine ähnliche Funktion als Dekorationsentwurf wäre auch für das Hamburger Blatt denkbar. Verwandte Gemälde im Hochformat stehen der Zeichnung grundsätzlich nahe, z. B. die 1688 datierte „Landschaft mit Reisenden am Flussufer“.(Anm.5) Das trotz der flüchtigen Anlage auffällige Gespür für Lichteffekte, wie es sich beispielsweise in den ausgesparten Lichtern des vom Wind bewegten Laubes manifestiert, ginge ebenfalls konform mit dem künstlerischen Anliegen Meijeringhs, wie es von Zwollo besonders für die späte Werkphase beobachtet wurde.(Anm.6) Dies betrifft vor allem eine Folge von radierten Landschaftscapriccios im Hochformat aus dem Jahre 1695 (B. 1–14). Thematisch verwandt ist darüber hinaus die „Windbö“ (B. 15) mit einer ähnlichen Vorliebe für biegsame dünnbelaubte Äste.(Anm.7)
Die Staffagefiguren erinnern an Inv.-Nr. 22151, und mit diesem Blatt ließe sich auch die differenzierte Architekturwiedergabe der Verso-Zeichnung vergleichen. Diese ist wie die hochformatige Radierungsfolge dem Genre des Landschaftscapriccios zuzuweisen. Die Verbindung von Pyramide, Turm und Rundbogenarchitektur erinnert an die Aurelianische Mauer mit der Cestius-Pyramide und der Porta San Paolo, verarbeitet also römische Motive.(Anm.8)

1 Die feine Gebäudeschraffur und der zarte Baumschlag verbinden das Blatt mit der in Feder gezeichneten „Ansichten auf Genazzano“, Inv..-Nr. 21716; Pyramidenmotiv und Baumschlag stehen darüber hinaus einer Zeichnung in Bremen recht nahe: Kunsthalle Bremen, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 123, Corpus Gernsheim Nr. 61103.
2 Eine Zuschreibung an Pijnacker ist auszuschließen aufgrund fehlender stilistischer Bezüge.
3 Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 10206, Die Landschaft im Jahrhundert Rembrandts. Niederländische Zeichnungen des 17. Jahrhunderts aus der Graphischen Sammlung Albertina, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1993, Nr. 103; dieses Blatt und sein Gegenstück Inv.-Nr. 10207 verarbeiten möglicherweise Eindrücke einer Reise durch die französische Dauphiné, vgl. ebd. und An Zwollo: Hollandse en Vlaamse veduteschilders te Rome 1675-1725, Assen 1973, S. 20.
4 Die Landschaft im Jahrhundert Rembrandts. Niederländische Zeichnungen des 17. Jahrhunderts aus der Graphischen Sammlung Albertina, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1993, Nr. 103.
5 Privatbesitz, Luigi Salerno: Pittori di paesaggio del Seicento a Roma - Landscape Painters of the Seventeenth Century in Rome, 3 Bde., Rom 1977/80, Bd. 2, Nr. 152.2.
6 An Zwollo: Hollandse en Vlaamse veduteschilders te Rome 1675-1725, Assen 1973, S. 24.
7 In der Wiedergabe von Wolken und Baumschlag besteht darüber hinaus eine gewisse Nähe zu Inv.-Nr. 22151, während die kräftige Schraffur an zwei Zeichnungen in der Kunsthalle Bremen erinnert, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 1214 und Inv.-Nr. 894. – In der Wiedergabe der Bäume vergleichbar ist die Meijering zugewiesene „Dorfstraße“ in den Staatlichen Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 13361, Bock/Rosenberg 1930, Bd. 1, S. 188. Meijerings Interesse an der Wiedergabe böiger Windstöße wird darüber hinaus dokumentiert durch eine 1780 versteigerte Zeichnung: Aukt.-Kat. Amsterdam, Smitt 1780, S. 92, Nr. 580, „Een gestoffeerd arcadies Landschap, verbeeldende een Storm, Meesteragtig met de pen gearceerd“.
8 Vgl. Lisa Oehler: Rom in der Graphik des 16. bis 18. Jahrhunderts, Berlin 1997, Nr. 25 mit Abb. – Ähnliche architektonische Versatzstücke begegnen auf einem Gemälde aus dem Umkreis des Jan Frans van Bloemen, Montpellier, Musée Fabre, Inv.-Nr. 837.1.48, Tableaux flamands et hollandais du Musée Fabre de Montpellier, Ausst.-Kat. Paris, Fondation Custodia 1998, S. 273.

Details zu diesem Werk

Schwarze Kreide, grau laviert auf gelblichem Papier; Einfassungslinien (Feder in Braun) 325mm x 236mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22391 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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