Crispin van den Broeck

Joseph wird von seinen Brüdern in den Brunnen geworfen, ca. 1580 - 1588

Joseph, Lieblingssohn seines Vaters Jakob, wurde von seinen eifersüchtigen Brüdern in einen leeren Brunnen geworfen und kurze Zeit darauf an vorbeiziehende Händler verkauft. Diese Szene ist im rechten Hintergrund dargestellt. Im Vordergrund schlachten zwei der Brüder einen Ziegenbock, um Josephs Mantel mit dessen Blut zu beflecken und so den Vater glauben zu lassen, sein Sohn sei von einem wilden Tier gerissen worden.(Anm.1)
Die traditionelle Zuschreibung an Van den Broeck wurde von Lugt einer Karteinotiz zufolge bestätigt und seitdem nicht mehr in Frage gestellt. Die Zeichnung gehört zu den bei Van den Broeck weniger häufigen Grisaillen auf farbigem Papier.(Anm.2) Die alte Beischrift mit der falschen Zuschreibung an Crispijn van de Passe findet sich auch auf anderen Zeichnungen Van den Broecks und basiert wohl auf dem identischen Vornamen.(Anm.3) Das große Format und die fehlenden Griffelspuren weisen auf eine Funktion als Gemäldeentwurf.(Anm.4)
Eine derselben Folge zugehörige Zeichnung wurde 2000 in London zur Auktion gestellt.(Anm.5) Stilistisch vergleichbar sind darüber hinaus alttestamentliche Szenen in Wien, Amsterdam und Rotterdam.(Anm.6) Die stellenweise gitterartige Schraffur und die im Vordergrund mit Pinsel verstärkten Konturen begegnen ähnlich auf einer um oder vor 1575 entstandenen Zeichnungsfolge in Windsor Castle.(Anm.7) „Antikische“ Köpfe wie das bildauswärts gerichtete Gesicht des bärtigen Mannes links verbinden mit dem 1586 datierten „Götterfest“ in Edinburgh;(Anm.8) die duftige Pinselzeichnung und die zarten Landschaftskonturen im Hintergrund wiederum erinnern an einen „Tierkampf“ von 1588 in Florenz.(Anm.9) Eine Entstehung unseres Blattes in den 1580er Jahren ist daher anzunehmen.

Annemarie Stefes

1 1. Mose 37, 23–34.
2 Vgl. Paul Wescher: Crispin van den Broeck as Painter, in: Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schoone Kunsten Antwerpen 1974, S. 171-183, S. 174.
3 „Sündenfall“, Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 4844, Boon 1992, Nr. 34; „Herkules am Scheideweg“, ebd. Inv.-Nr. 8722, Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Nr. 35; „Anbetung der Hirten“, München, Galerie Arnoldi-Livie, Katalog 15, 1990, Nr. 5; „Der verlorene Sohn bei den Schweinen“, Aukt.-Kat. Amsterdam, Christie’s, 13. 11. 1995, Nr. 54.
4 Gleiches schlug Boon vor für den unter Anm. 3 erwähnten „Sündenfall“, Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Bd. 1, S. 57. Ein Gemälde zur Josephsgeschichte wird im Inventar von Nic. Corn. Cheeus, 1621 erwähnt, vgl. Jan Denucé: De Antwerpsche Konstkamers, Inventarissen van Kunstverzamelingen te Antwerpen in de 16e en 17 eeuwen, Den Haag 1932, S. 34 („Een Schilderye van Joseph“). Format, Aufbau und Figurenstil erinnern an die 1577 datierte „Heilung des Lahmen am Teich Bethesda“, Hampton Court, Paul Wescher: Crispin van den Broeck as Painter, in: Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schoone Kunsten Antwerpen 1974, S. 171-183, Abb. 6.
5 „Josephs Brüder bitten um die Freilassung Benjamins“, Aukt.-Kat. London, Sotheby’s, 5. 7. 2000, Nr. 147 (233 x 362 mm).
6 „Isaak segnet Jakob“, Wien, Albertina, Inv.-Nr. 7861 (244 x 335 mm), Otto Benesch: Die Zeichnungen der Niederländischen Schulen des XV. und XVI. Jahrhunderts, Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der Graphischen Sammlung Albertina, Bd. 2, Wien 1928, Nr. 120; „Mose hilft den Töchtern des Jethro“, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1965-196 (251 x 366 mm), Karel G. Boon: Netherlandish Drawings of the Fifteenth and Sixteenth Centuries, Catalogue of the Dutch and Flemish Drawings in the Rijksmuseum, 2Bde. Den Haag 1978, Nr. 93; „Die Aufrichtung der ehernen Schlange“, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. MB 1698 (191 x 277 mm), Hans Mielke: Antwerpener Graphik in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der Thesaurus veteris et novi Testamenti des Gerard de Jode (1585) und seine Künstler, Zeitschrift für Kunstgeschichte 38, 1975, S. 29-83, Abb. 57.
7 Windsor Castle, Collection of Her Majesty the Queen, Inv.-Nr. 4714–4747, Christopher White, Charlotte Crawley: The Dutch and Flemish Drawings of the fifteenth to the early nineteenth centuries in the collection of Her Majesty the Queen at Windsor Castle, Cambridge 1994, Nr. 4–37, vgl. vor allem 4–6, 8–9.
8 Edinburgh, National Gallery of Scotland, Inv.-Nr. D 694.
9 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 1038 E (237 x 330 mm), Hans Mielke: Antwerpener Graphik in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der Thesaurus veteris et novi Testamenti des Gerard de Jode (1585) und seine Künstler, Zeitschrift für Kunstgeschichte 38, 1975, S. 29-83 Abb. 59.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Pinsel in Braun, Grau, Blau und Deckweiß, über Skizze mit Kohle auf hellbraunem Papier; Reste von Einfassungslinien (Feder in Braun) 249mm x 361mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22356 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Crispin van den Broeck