Isaac van Ostade

Bauernfamilie am Morgen, um 1646

Mit liebevoller Präzision wird hier eine einfache Bauernstube präsentiert mit den für den Tagesbeginn charakteristischen Tätigkeiten: Die Mutter richtet im Hintergrund das Bett mit den strohgefüllten Kissen, der Vater sitzt am Feuer und schneidet eine Scheibe Brot für den kleinen Sohn. Weitere Frühstücksutensilien stehen auf dem behelfsmäßig aus einem Fass und einer runden Platte errichteten Tisch.
Diese Zeichnung war sicher für den freien Verkauf bestimmt und aus diesem Grund vom Künstlers selbst monogrammiert. Derartig detaillierte Darstellungen des Bauernlebens waren bei der Stadtbevölkerung des 17. Jahrhunderts beliebt: Sie befriedigten ein Interesse am Fremden und lieferten gleichzeitig ein Gegenbild zu der kultivierten Welt der höheren Schichten.(Anm.1)
Das dekorative Rundformat der Komposition wurde von späterer Hand an den Seiten beschnitten. An den unbeschnittenen Stellen erkennt man noch Reste der originalen Einfassungslinien. Aus dem gezeichneten Œuvre des Künstlers ist nur ein einziges im Format vergleichbares Blatt bekannt, das aquarellierte „Dankgebet“ im Oval aus dem Jahre 1644.(Anm.2) Auch für unsere Zeichnung ist eine Entstehung in den mittleren 1640er Jahren anzunehmen. Schnackenburg sah eine stilistische Verbindung zu den kleinteiligen, fein gemalten Bildern von 1646.(Anm.3)
Inv.-Nr. 22307 ist ein schönes Beispiel für die kalligraphische Manier des Künstlers. In feinen Linienzügen, Kringeln und verspielten Schlaufen wurde die spitze Feder über das Blatt geführt. Breitflächiges Lavis bewahrt die Zeichnung davor, sich im Dekorativen zu verlieren. Souverän arbeitete der Künstler die unterschiedlichen Lichtquellen heraus: Das Feuer wirft seinen hellen Schein auf den Kessel und das linke Knie des Vaters, während der Rücken des Knaben und die rechte Körperhälfte des Vaters in das von links durch ein nicht sichtbares Fenster einfallende Licht getaucht sind. Die so erzeugte behagliche Atmosphäre verleiht dem ärmlichen Ambiente seinen besonderen Reiz und wurde wohl nicht erst von Harzen, sondern auch schon zu Lebzeiten des Künstlers als besonders malerisch empfunden.

Annemarie Stefes

1 Vgl. u. a. Bernhard Schnackenburg: Adriaen van Ostade, Isack van Ostade. Zeichnungen und Aquarelle. Gesamtdarstellung mit Werkkatalogen, 2 Bde, Hamburg 1981, Bd. 1, S. 56.
2 Haarlem, Teylers Museum, Inv.-Nr. P 82, Bernhard Schnackenburg: Adriaen van Ostade, Isack van Ostade. Zeichnungen und Aquarelle. Gesamtdarstellung mit Werkkatalogen, 2 Bde, Hamburg 1981, Bd. 1, Nr. 510.
3 Bernhard Schnackenburg: Adriaen van Ostade, Isack van Ostade. Zeichnungen und Aquarelle. Gesamtdarstellung mit Werkkatalogen, 2 Bde, Hamburg 1981, Bd. 1, S. 52.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun über Graphit, braun laviert; Reste von Einfassungslinien (Feder in Braun) 200mm x 233mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22307 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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