Lambert Lombard

Zwei sitzende männliche Gewandfiguren, 1552

Insgesamt 27 Draperiestudien sind derzeit von der Hand Lombards bekannt. Sie dienten der Unterweisung von Schülern und ließen sich vom Künstler als gezeichnete „modelli“ für vielfigurige Kompositionen verwenden.(Anm.1)
Die linke Figur unseres Blattes ist die variierende Reinzeichnung eines wohl nach der Antike skizzierten Jünglings mit nacktem Oberkörper aus dem Album D’Arenberg.(Anm.2) Die leicht abgeänderte Stellung der Beine greift vermutlich zurück auf den weiblichen Halbakt im gleichen Skizzenblatt unten rechts. Unter den Zeichnungen des Album D’Arenberg befinden sich auch zwei unserem Blatt vergleichbare Studien, denen jeweils eine im gleichen Album aufbewahrte Skizze zugeordnet werden kann.(Anm.3)
Möglicherweise entstanden diese Zeichnungen im Zusammenhang mit Lombards 13-teiliger Stichfolge „Christus und die Apostel“, die von einer Gruppe ähnlicher, 1552 datierender Figurenstudien vorbereitet wurde.(Anm.4) Ähnlich bartlose Togaträger, verwandt auch in Gestik und Körperhaltung, begegnen auf einem Stich Raimondis nach Raffaels „Predigt Pauli in Athen“ (B. 44, um 1520). Lombard zeigte sich stark beeinflusst von Stichen der Raffael-Schule,(Anm.5) und es wäre nicht ausgeschlossen, dass er eine eigene Formulierung des Themas plante, vergleichbar den von Hieronymus Cock publizierten neutestamentlichen Szenen.(Anm.6)

1 Godelieve Denhaene: Lambert Lombard, Antwerpen 1990, S. 83; vgl. auch Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Bd. 1, S. 248–249.
2 Lüttich, Cabinet des Estampes et des Dessins de la Ville de Liège, Album D’Arenberg (N 6 a). Als Vorlage wären antike Sarkophage denkbar, z. B. Rom, Museo Torlonia und Museo Vaticano, Cortile del Belvedere, Max Wegner: Die Musensarkophage, Berlin 1966, Nr. 133 und 134, oder gezeichnete bzw. gestochene Darstellungen, wie von Godelieve Denhaene und Cécile Oger vorgeschlagen (Mitteilung per E-Mail, 2. 5. 2005 bzw. 6. 6. 2005). Selbst ein Zusammenhang mit Studien nach dem Leben erscheint nicht ausgeschlossen, vgl. Godelieve Denhaene (Hrsg.): Lambert Lombard, Peintre de la Renaissance, Liège 1505/06-1566, Essais interdisciplinaires et catalogue de l’Exposition, Brüssel 2006, Nr. 34.3.
3 Lüttich, Cabinet des Estampes et des Dessins de la Ville de Liège, Album D’Arenberg (N 283 bzw. N 284/285). Ein drittes Blatt gleicher Provenienz befindet sich in Dresden und trägt wie unsere Zeichnung die Jahreszahl 1552: Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 855, Christian Dittrich: Van Eyck, Bruegel, Rembrandt. Niederländische Zeichnungen des 15. bis 17. Jahrhunderts aus dem Kupferstich-Kabinett Dresden, Ausst.-Kat. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Eurasburg 1997 Nr. 17.
4 Vorgeschlagen von Popham, zitiert bei Keith Andrews: Catalogue of Netherlandish Drawings in the National Gallery of Scotland, 2 Bde., Edinburgh 1985, Bd. 1, S. 48. Die Vorstudien befinden sich in Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 1774, Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Nr. 137 mit Zweitfassung in Edinburgh, National Gallery of Scotland, Inv.-Nr. D 2850, Keith Andrews: Catalogue of Netherlandish Drawings in the National Gallery of Scotland, 2 Bde., Edinburgh 1985, Bd. 1, S. 48; Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/9978, vgl. Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby Mak van Waay, 25. 4. 1983, Nr. 14, und Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1905-82, Karel G. Boon: Netherlandish Drawings of the Fifteenth and Sixteenth Centuries, Catalogue of the Dutch and Flemish Drawings in the Rijksmuseum, 2Bde. Den Haag 1978, Nr. 352.
5 Ellen Hühn: Lambert Lombard als Zeichner, Münster, Univ., Diss. 1970, S. 42. – Als mögliches Vorbild wäre auch Giorgio Ghisis gestochene Version von Raffaels „Disputà“ denkbar, die 1552 in Antwerpen von Hieronymus Cock publiziert wurde (H. 23); nach dieser Zeichnung existiert ein Studienblatt in Lüttich, Cabinet des Estampes et des Dessins de la Ville de Liège, Album D’Arenberg, Ellen Hühn: Lambert Lombard als Zeichner, Münster, Univ., Diss. 1970, Nr. 103.
6 „Gastmahl bei dem Pharisäer Simon“, 1551, H. 7; „Fußwaschung“, um 1551, H. 11; „Das letzte Abendmahl“, 1551, H. 12. Dittrich, in: Christian Dittrich: Van Eyck, Bruegel, Rembrandt. Niederländische Zeichnungen des 15. bis 17. Jahrhunderts aus dem Kupferstich-Kabinett Dresden, Ausst.-Kat. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Eurasburg 1997, S. 52 dachte an eine gezeichnete, freskierte oder gemalte neutestamentliche Szene; Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Bd. 1, S. 248 zog einen „Abschied Christi von seinen Aposteln“ in Betracht.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun auf hellbraunem Papier 207mm x 262mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22129 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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