Rembrandt Harmensz. van Rijn, Kopie

Der ungläubige Thomas, nach 1634

Diese Darstellung von Christus und dem ungläubigen Thomas (Johannes 20, 24–29) stimmt genau überein mit einem in Moskau verwahrten Gemälde Rembrandts.(Anm.1) Auch die Breitenmaße der Zeichnung entsprechen der Vorlage. Am oberen und unteren Rand wurde die Zeichnung wohl von späterer Hand beschnitten.
Röver-Kann betrachtete die auf altem Papier gearbeitete Zeichnung zu Recht als Werkstattkopie.(Anm.2) In der Kunsthalle Bremen befindet sich ein gegenseitiger Abklatsch, der jedoch nicht von unserer Zeichnung abgenommen worden sein kann, denn er ist zur Gänze in schwarzer Farbe ausgeführt.(Anm.3) Der von unterschiedlicher Seite vorgeschlagene Zusammenhang mit einem 1774 datierenden Schabkunstblatt des Robert Laurie (1755–1836) ist allerdings auszuschließen.(Anm.4)
Das Moskauer Gemälde stammt aus dem Jahre 1634. Zu dieser Zeit arbeitete Rembrandt noch für Hendrick Uylenburgh und verfügte über eine größere Zahl von Schülern und Mitarbeitern.(Anm.5) In mindestens einem Fall gab Uylenburgh eine Radierung Rembrandts heraus, und es ist nicht ausgeschlossen, dass er weitere Gemälde Rembrandts reproduzieren lassen wollte.(Anm.6) Die Hamburger Zeichnung und der Bremer Abklatsch können in diesem Zusammenhang entstanden sein, zumal man angesichts des weich verriebenen Rötelstriches davon ausgehen kann, dass auch von unserer Zeichnung ein Gegendruck abgenommen wurde.
Diese Bemühung um Vervielfältigung einer originären Schöpfung Rembrandts, die auch Ausdruck findet in der Existenz einer leicht abweichenden Atelierreplik des Moskauer Gemäldes,(Anm.7) erscheint nicht verwunderlich vor dem Hintergrund der Beliebtheit des Bildthemas bei den Amsterdamer Mennoniten, denen auch Uylenburgh angehörte.(Anm.8)
Sicher von deutlich späterer Hand ist die alte Bezeichnung „Livens“: Vermutlich fühlte sich ein Eigentümer der Zeichnung an Jan Lievens’ Rötelstudien aus den Leidener Jahren erinnert.(Anm.9)

Annemarie Stefes

1 Moskau, Puschkin Museum, Inv.-Nr. 2619, RRP 1986, Nr. A 90.
2 Anne Röver-Kann: Rembrandt als Zeichner - Rembrandt als Lehrer, in: Ausst.-Kat. Bremen 2000/01, S. 11-17, S. 15 und in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S. 134.
3 Kunsthalle Bremen, Inv.-Nr. 1942/9, Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, Nr. 74.
4 Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S. 134; vgl. Christopher White, David Alexander, Ellen D’Oench: Rembrandt in eighteenth century England, Ausst.-Kat. New Haven, Yale Center for British Art 1983, Nr. 98. Dort ist der Kopf des sich über Jesu Schulter nach vorne beugenden Petrus stärker dem Betrachter zugewandt, und das Haar des am Tisch über einem aufgeschlagenen Buch sitzenden Apostels ist weniger stark gelockt, sondern gemäß der Mode des späten 18. Jahrhundert schwungvoll nach hinten gebürstet. Die umlaufende Kappenfalte der knienden Magdalena ist auf Zeichnung und Abklatsch nur ansatzweise angedeutet. Diese Abweichungen sprechen auch gegen den in RRP 1986, S. 477 vorgeschlagenen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Schabkunstblatt und unserer Zeichnung.
5 Jaap van der Veen: Hendrick Uylenburgh's art business. Production and trade between 1625 and 1655, in: Uylenburgh & Son. Art and commerce from Rembrandt to De Lairesse 1625-1675, Ausst.-Kat. London, Dulwich Picture Gallery, Amsterdam, Rembrandthuis, Zwolle 2006, S. 117-205, S. 136.
6 Vgl. Jaap van der Veen: Hendrick Uylenburgh's art business. Production and trade between 1625 and 1655, in: Uylenburgh & Son. Art and commerce from Rembrandt to De Lairesse 1625-1675, Ausst.-Kat. London, Dulwich Picture Gallery, Amsterdam, Rembrandthuis, Zwolle 2006, S. 117-205, S. 151 mit Blick auf Rembrandts radierte „Kreuzabnahme“ von 1633 (B. 91), die von Uylenburgh publiziert wurde („Amstelodami Hendrickus Ulenburgensis Excudebat“).
7 Amerikanischer Privatbesitz, Jaap van der Veen: Hendrick Uylenburgh's art business. Production and trade between 1625 and 1655, in: Uylenburgh & Son. Art and commerce from Rembrandt to De Lairesse 1625-1675, Ausst.-Kat. London, Dulwich Picture Gallery, Amsterdam, Rembrandthuis, Zwolle 2006, S. 117-205, S. 174–175 mit Abb. 129.
8 Vgl. Jaap van der Veen: Hendrick Uylenburgh's art business. Production and trade between 1625 and 1655, in: Uylenburgh & Son. Art and commerce from Rembrandt to De Lairesse 1625-1675, Ausst.-Kat. London, Dulwich Picture Gallery, Amsterdam, Rembrandthuis, Zwolle 2006, S. 117-205, S. 155.
9 Röver-Kann, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S. 134.

Details zu diesem Werk

Rötel auf hellbraunem Papier; Einfassungslinien (Feder in Braun) 331mm x 507mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22125 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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