Jan Lievens I, (?)
Jacob Koninck d.Ä., (?)

Eichwald

Verso: Verworfene Kopfstudie eines Jünglings

Wie erstmals von Curtis O. Baer (Seventeenth Century Dutch Landscape. Drawings and Selected Prints from American Collections, Ausst.-Kat. Vassar College Art Gallery, Poughkeepsie (N.Y.) 1976) bemerkt, steht diese Zeichnung in engem Kontext mit zwei ebenfalls Lievens zugeschriebenen Werken in New York und Rotterdam.(Anm.1) Sie sind mit 223 x 373 mm bzw. 261 x 407 mm nicht ganz so hoch, aber breiter dimensioniert als das Hamburger Blatt, das mindestens am linken Rand beschnitten wurde.
Als einziges Exemplar dieser Gruppe ist das Hamburger Blatt frei von Staffagefiguren, und der Blickpunkt ist stärker an die Bäume herangerückt. Abweichend von den beiden anderen Fassungen fehlen hier Gebüsch und Unterholz links von der Baumgruppe, was diese in ihrer Isolation noch wuchtiger erscheinen lässt. Gleichzeitig sind die Bäume im zweiten Grund sorgfältiger erfasst und erweitert um einige schlanke Stämme links der Blattmitte. Weitere Abweichungen von den Zeichnungen in New York und Rotterdam finden sich in der Anlage der Äste.
Angesichts dieser Unterscheide ist ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne von Original und Kopie mit Sicherheit auszuschließen.
Für die in mehreren Fassungen vorliegenden Landschaftszeichnungen wurden unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Sumowski (1983) glaubte, dass alle drei Zeichnungen auf eine verlorene Naturstudie aus den 1650er Jahren zurückgehen und somit wichtigen Einblick geben in die Arbeitsweise des Künstlers.(Anm.2) Dieser Ansicht folgte auch Stampfle (2006), die die New Yorker Zeichnung für die späteste der drei Fassungen hielt. Giltay (1988) wiederum sah in der gleichmäßigeren Ausarbeitung des Rotterdamer Blattes ein Indiz für die Hand des Jan Andrea Lievens, dem es in einer alten Annotation auch zugeschrieben war,(Anm.3) während Broos (1981) das Hamburger Blatt mit Gerbrand van den Eeckhout in Verbindung brachte.
In der Literatur nicht berücksichtigt bzw. als falsch angesehen wurde die alte, auf Salomon Koninck (1609–1656) verweisende Beischrift des Hamburger Blattes. Vielleicht sollte sie gleichwohl nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Anders als auf den Fassungen in New York und Rotterdam sind die beleuchteten Laubgruppen rechts der Mitte von rundlicheren Konturenschlaufen eingefasst, und die sich dabei bildenden „Lichtinseln“ sind größer als auf jenen Blättern. Diese Eigenschaften sind ähnlich, aber noch stärker ausgeprägt auf Inv.-Nr. 1963-276, deren alte Zuschreibung an Salomon Koninck unter Vorbehalt als Hinweis auf die Hand des Jacob Koninck interpretiert wird.(Anm.4)


1 New York, The Pierpont Morgan Library, Inv.-Nr. III, 186, Jane Shoaf Turner: Dutch Drawings in the Pierpont Morgan Library. Seventeenth to Nineteenth Centuries, 2 Bde., New York 2006, Nr. 126; Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. MB 198, Jeroen Giltay: The Drawings by Rembrandt and his School in the Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam 1988, Nr. 109.
2 Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 7, Leupenius - Lievens, hrsg. von Walter L. Strauss, 1983, S. 3772 datierte die mutmaßliche Vorlage zwischen 1654 und 1664. – Auch Rubinstein 2008, S. 73–74 ging davon aus, dass Lievens seine Landschaften vorwiegend im Atelier zeichnete, aber auf eigenen Naturstudien basierte.
3 Dagegen votierte wiederum Schatborn, in: Peter Schatborn, Eva Ornstein-van Slooten: Jan Lievens. Prenten en Tekeningen, Ausst.-Kat. Amsterdam, Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam 1988, S. 87. Auch Gregory Rubinstein: The Drawings of Jan Lievens, in: Jan Lievens, A Dutch Master Rediscovered, Ausst.-Kat. Washington/Milwaukee/Amsterdam, London 2008, S. 70-79, S. 74–75 stand einer Zuschreibung dieser Zweitfassungen an Jan Andrea zurückhaltend gegenüber. Die einzigen diesem Künstler mit Sicherheit zugeordneten Zeichnungen befinden sich in London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1836,0811.343 und Inv.-Nr. 1922,0410.3.
4 Neben dem Baumschlag erinnern die bisweilen etwas zittrig wirkenden Konturen an Zeichnungen des Jacob Koninck, vgl. die bei Inv.-Nr. 1963-276 genannten Vergleichsbeispiele, darunter besonders die Jacob oder Philips Koninck zugeschriebene Zeichnung in Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 22923, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 6, Jansen - Koninck, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1982, Nr. 1310 x.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, stellenweise braun laviert; Einfassungslinien (Feder in Braun, links mit Graphit) Technik Verso: Schwarze Kreide 293mm x 371mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22123 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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