Samuel van Hoogstraten, (?)

Juden in der Synagoge

Harzen beschrieb das Blatt zunächst als „eine in der Kirche versammelte Gemeinde“, bevor er es später als „Judensynagoge“ identifizierte. Bei seiner Zuweisung an „L. Boursse“ handelt es sich wohl um eine Verwechslung mit Esaias Boursse (1631–1672).(Anm.1) Die später vorgenommene Zuschreibung an Van Hoogstraten ist nicht unumstritten – Sumowski berücksichtigte das Blatt nicht im Verzeichnis der frühen Zeichnungen des Künstlers – soll jedoch hier beibehalten werden. Verglichen mit den frühen signierten Zeichnungen (Inv.-Nr.22050, 22052) fehlen hier die schweren Linearakzente. Das feine Schraffurgerüst ist jedoch grundsätzlich vergleichbar. Röver-Kann sah in dieser Eigenschaft Parallelen zu Zeichnungen und Radierungen Van Hoogstratens aus den mittleren und späten 1640er Jahren.(Anm.2) Eine daraus abzuleitende Einordnung als Frühwerk könnte auch die fehlende Signatur erklären, ebenso wie gewisse Unsicherheiten in der perspektivischen Wiedergabe der Architektur.
Die hier wiedergegebene Synagoge mit versammelter Gemeinde ist – frei von thematischen Bezügen – wohl als reine Genredarstellung zu verstehen. Soweit zu erkennen, sind die Figuren zeitgenössisch gekleidet. Eine thematisch verwandte, aber sicher später entstandene Zeichnung wurde kürzlich von Peter Schatborn ebenfalls Samuel van Hoogstraten zugeschrieben.(Anm.3) Es ist anzunehmen, dass der Künstler dabei eigene visuelle Eindrücke verarbeitete. Sein Lehrer Rembrandt wohnte bis 1658 in der Sint-Anthonisbreestraat nahe dem Amsterdamer Judenviertel und unterhielt enge Beziehungen zu leitenden Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde. Van Hoogstraten könnte von diesen Kontakten profitiert haben; vielleicht kannte er die sephardische Synagoge an der ehemaligen „Houtgracht“ (heute Waterlooplein) aus eigener Anschauung.(Anm.4) Eine gewisse Vertrautheit mit der jüdischen Kultur manifestiert sich auch in der hebräischen Inschrift auf seiner gezeichneten „Darstellung im Tempel“.(Anm.5)

Annemarie Stefes

1 Freundlicher Hinweis von Tom van der Molen, Den Haag, 29. 10. 2010, der Boursses Hand für das vorliegende Blatt aber ausschließen würde.
2 „Die Heimsuchung“, 1646, Amsterdams Historisch Museum, Inv.-Nr. TA 10153, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 1121 x, Ben P. J. Broos: Rembrandt en Teekenaars uit zijn omgeving, Oude Teekeningen in het bezit van de Gemeentemusea van Amsterdam waaronder de Collectie Fodor, Amsterdam 1981, Nr. 37; „Die Juden vor Pilatus“, 1648, Radierung (H. 2).
3 „Blick in das Innere einer Synagoge“, Aukt.-Kat. London, Christie’s,
5. 12. 2006, Nr. 117; vgl. auch Rembrandts Radierung aus dem Jahre 1648, „Juden in der Synagoge“, B. 126.
4 Die durch Vereinigung der drei sephardischen Synagogen 1639 in Amsterdam gegründete Synagoge war als Bildmotiv beliebt, vgl. Edward van Voolen: Juden im Amsterdam Rembrandts, in: Im Lichte Rembrandts. Das Alte Testament im Goldenen Zeitalter der niederländischen Kunst, Ausst.-Kat. Münster/Amsterdam/Jerusalem, Zwolle 1994, S. 207-218, S. 208–209; vgl. ebd. S. 210–211 zu Rembrandts Kontakten zu der jüdischen Gemeinde in Amsterdam; zu der Geschichte der Synagoge vgl. Belinfante u. a. 1991.
5 Paris, Privatbesitz, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981, Nr. 1107.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Pinsel in Grau; Einfassungslinien (Feder in Grau, teilweise auch in Braun) 160mm x 274mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22053 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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