Jurriaan Andriessen

Rastende Jäger unter einem Torbogen

Den überaus regen Kunsthandel seiner Zeit verfolgte Juriaan Andriessen mit großem Interesse. In Auktionskatalogen notierte er Preise und Käufer einzelner Werke.(Anm.1) Darüber hinaus skizzierte er mitunter einzelne der zum Verkauf angebotenen Werke. Zu dieser Gruppe ist das vorliegende Blatt zu rechnen, das vormals Barend Graat zugeordnet war und von Harzen unter dem Namen „Verschuring“ inventarisiert worden war.(Anm.2) In der Regel beziehen sich Andriessens Nachzeichnungen auf gemalte Vorlagen;(Anm.3) hier hingegen sind Zeichnungen dokumentiert.
Die Vorlage für die recto dargestellte Szene wurde 1994 identifiziert: Es handelt sich um Nicolaes Berchems heute in London verwahrte „Rückkehr von der Jagd“.(Anm.4) Dabei variierte Andriessen die Körperhaltungen der Figuren und wandelte das querrechteckige Format der Vorlage mithilfe des hochstelzigen Torbogens um in eine annähernd quadratische Komposition.
Auch die rückseitig dargestellte Winterlandschaft hat eindeutig berchemesken Charakter – ihre Komposition erinnert stark an eine 1678 datierte Berchem-Zeichnung in Darmstadt, ohne dass diese als Vorlage vorausgesetzt werden sollte.(Anm.5) Vielleicht handelt es sich um die Kopie nach einer heute unbekannten Zeichnung Berchems oder um die eigene Variation nach einem entsprechenden Werk.
Aus der eigenhändigen, teilweise beschnittenen Beischrift geht nicht eindeutig hervor, ob sie sich auf die Recto- oder die Verso-Darstellung bezieht. Jedenfalls muss Andriessen die Vorlage für eine der beiden Skizzen in der Sammlung Goll van Franckensteins gesehen haben.(Anm.6)

Annemarie Stefes

1 Richard Harmanni: Juriaan Andriessen (1742-1819) 'behangselschilder', 4 Bde., Diss., Univ., Leiden 2006, Bd. 1, S. 58, 62 und 65.
2 Für die Zuschreibung an Graat vgl. Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994. Andriessens Hand kann aufgrund der engen Bezüge zu vergleichbaren Arbeiten als gesichert angesehen werden: vgl. mit Zeichnungen in Privatbesitz, auf denen Andriessen einzelne Bilder der Gemäldeauktion des Nicolaas Doekscheer dokumentierte (Rotterdam, 9. 9. 1789, Lugt Ventes 4476), Richard Harmanni: Juriaan Andriessen (1742-1819) 'behangselschilder', 4 Bde., Diss., Univ., Leiden 2006, Bd. 4, Abb. 94, vgl. dazu Bd. 1, S. 63.
3 Richard Harmanni: Juriaan Andriessen (1742-1819) 'behangselschilder', 4 Bde., Diss., Univ., Leiden 2006. S. 63–64.
4 In einem Schreiben der Verfasserin, 9. 12. 1994, Archiv des Kupferstichkabinetts der Hamburger Kunsthalle; London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1836,0811.44 (321 x 398 mm).
5 Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. AE 630, Annemarie Stefes: Nicolaes Berchem (1620-1683). Die Zeichnungen, 3 Bde., Bern, Univ., Diss. 1997, Bd. 3, Nr. IV/15.
6 Die Londoner Zeichnung wurde am 29. November 1773 auf der Auktion der Sammlung Van der Marck zum Verkauf angeboten; ihre weitere holländische Provenienz konnte bislang nicht rekonstruiert werden. Möglicherweise war sie in einem der zwischen 1800 und 1810 anonym veräußerten Alben Goll van Franckensteins enthalten, wie von Robert-Jan te Rijdt vorgeschlagen wurde (Mitteilung August 2009). Gleiches wäre denkbar für die mutmaßliche Vorlage zu der Verso-Skizze. Auf Golls Auktion am 1. Juli 1833 (Lugt Ventes 13362) ist eine entsprechende „Winterlandschaft“ Berchems nicht aufgeführt.

Details zu diesem Werk

Rohrfeder in Grau über Graphit; Einfassungslinien (Feder in Grau) 143mm x 178mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21998 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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