Dirck Jacobsz. Vellert, Werkstatt
Jan Gossaert, Kopie?

Thronende Maria mit dem Christuskind, um 1525?

Die sauber gearbeitete Zeichnung, die auf der Nachlassauktion Ploos van Amstels als Arbeit Vellerts geführt, von Harzen aber Jan Gossaert zugewiesen wurde, ist eine „Durchzeichnung“: Von einer heute unbekannten Vorlage mit geschwärzter Rückseite wurden die Umrisslinien mithilfe des Griffels auf das vorliegende Blatt übertragen. Die so entstandenen zarten Konturen sind in der unbearbeitet gelassenen rechten Blatthälfte noch deutlich zu erkennen. Anschließend wurden die Übertragungslinien mit Feder und Tusche nachgezogen. Wie Ellen Konowitz nachweisen konnte, machte der Glasmaler Vellert häufig Gebrauch von diesem Verfahren,(Anm.1) und seine Durchzeichnungen stehen unserem Blatt auch stilistisch sehr nahe.(Anm.2) Hier indes lassen die fehlenden Pentimenti und Abweichungen wie die nicht tüpfelnd, sondern linear gegebenen Stofffalten an eine Werkstattarbeit denken, möglicherweise den Zustand vor einer Überarbeitung durch den Künstler selbst dokumentierend.(Anm.3)
Letztlich geht die Komposition zurück auf ein Gemälde in London, das heute der Werkstatt des Pieter Coecke van Aelst (1502–1550) zugewiesen wird.(Anm.4) Trotzdem steht unser Blatt Vellert und letztlich auch Gossaert deutlich näher als dem fast eine Generation jüngeren Coecke van Aelst. Vielleicht dokumentieren sowohl die vorliegende Zeichnung als auch das Londoner Gemälde eine heute unbekannte Zeichnung Jan Gossaerts.(Anm.5)

Annemarie Stefes

1 Vgl. Ellen Konowitz: Drawings as intermediary stages: some working methods of Dirck Vellert and Albrecht Dürer re-examined, in: Simiolus 20, 1990, Nr. 2-3, S. 143-152, S. 144, 152; Konowitz, in: Timothy B. Husband, Ellen Konowitz, Zsuzsanna Van Ruyven-Zeman: The Luminous Image. Painted Glass Roundels in the Lowlands, 1480-1560, Ausst.-Kat. New York, Metropolitan Museum of Art, New York 1995, S. 152–153.
2 Z. B. „Geburt der Jungfrau Maria“, Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. KK 4596; „Darstellung im Tempel“, London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1923,0417.4.
3 Vgl. Ellen Konowitz: Drawings as intermediary stages: some working methods of Dirck Vellert and Albrecht Dürer re-examined, in: Simiolus 20, 1990, Nr. 2-3, S. 143-152, S. 144 und John Oliver Hand, J. R. Judson, William W. Robinson, Martha Wolff: The Age of Brueghel. Netherlandish Drawings in the Sixteenth Century, Ausst.-Kat. Washington D.C., National Gallery of Art, New York, Pierpont Morgan Library, New Haven 1986, Nr. 115. – Die Zuordnung in den Vellert-Kreis geht konform mit der alten Zuschreibung an den Künstler durch die Verso-Beischrift („Dirk Versterre“).
4 London, National Gallery, Inv.-Nr. NG 2606; für diesen Hinweis danke ich Stijn Alsteens (E-Mail, 29. 6. 2010).
5 Zu diesem Schluss kommt auch Alsteens, siehe Anm. 4. Der dargestellte Kindertypus ist eng verwandt mit Gossaerts „Lukasmadonna“ in Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. GG 894; für die Madonna lässt sich eine Gossaert-Zeichnung in London vergleichen, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1924,0152.1.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz über schwarzer Kreide auf graubraunem Papier 195mm x 154mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21983 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback