Lambert van Noort, zugeschrieben
Frans Floris d.Ä., ehemals zugeschrieben

Lot und seine Töchter, um 1553

Dargestellt ist eine Szene aus dem Alten Testament: Nach der Rettung aus dem brennenden Sodom waren Abrahams Neffe Lot und seine beiden Töchter ins Gebirge geflüchtet. Aus Sorge um fehlende Nachkommen und in Ermangelung potentieller Schwiegersöhne wussten sich die jungen Frauen nicht anders zu helfen, als ihrem Vater Wein einzuflößen und sich des Nachts zu ihm zu legen: So wurden Moab und Ben Ammi, die Stammväter der Moabiter und Ammoniter gezeugt (1. Mose 19, 30–38).
Harzen hielt das Blatt für eine Arbeit des Frans Floris, vielleicht aufgrund der formalen Verwandtschaft zu einer nach Floris-Entwurf gestochenen Fassung des Themas.(Anm.1) Dies wurde 1965 von Carl van de Velde abgelehnt.(Anm.2) Mit Lambert van Noort brachte erstmals Wouter Kloek das Blatt in Verbindung, und Van Ruyven-Zeman (1990) akzeptierte diese Zuschreibung angesichts der stilistischen Nähe zu gesicherten Zeichnungen.(Anm.3) Charakteristisch sind die mitunter suchenden, etwas zittrig wirkenden Umrisslinien, die vibrierend bewegten Architekturkonturen und die fein schraffierten Schattenpartien.
Die Zeichnung diente vermutlich als Entwurf für eine Kabinettscheibe. Dass das Rundformat nachträglich in den hochrechteckigen Entwurf eingezeichnet wurde, ist nicht untypisch für den Künstler und seine Zeit.(Anm.4) Das zu schmal bemessene Papier deutet auf Bestimmung für eigenen Gebrauch, die fehlende Signatur und Datierung weisen auf eine frühe Entstehung um 1553.(Anm.5) Stilistisch zeigt sich das Blatt nicht nur von Floris, sondern auch von Jan van Scorel beeinflusst.(Anm.6) Darüber hinaus verarbeitet die Komposition Anregungen des Jan Swart van Groningen (1500/1533–um 1560).(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Philips Galle, H. 10, 1558.
2 Gemäß einer Karteinotiz im Archiv des Kupferstichkabinetts.
3 Z. B. „Die Tiere verlassen die Arche Noah“, 1557, Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 8881, Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, Nr. 155; vgl. auch „Esther vor Ahasver“, 1558, London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. SL,5214.296. Für Van Noort votierte auch Holm Bevers (1992) gemäß einer Karteinotiz im Archiv des Kupferstichkabinetts.
4 Vgl. Zsuzsanna Van Ruyven-Zeman: Lambert van Noort Inventor, Klasse der Schone Kunsten, Bd. 57, Brüssel 1995, S. 53.
5 Zsuzsanna Van Ruyven-Zeman: Lambert van Noort Inventor, Maastricht, Univ., Diss. 1990, Nr. T 13 und T 31.
6 Zsuzsanna Van Ruyven-Zeman: Lambert van Noort Inventor, Maastricht, Univ., Diss. 1990, S. 89, Anm. 4; Gesicht und Mund der mittleren Tochter erinnern an Van Scorels „Madonna mit den wilden Rosen“, 1529, Utrecht, Centraal Museum, Inv.-Nr. 12432 a.
7 Z. B. „Lot und seine Töchter“, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1958-118, Karel G. Boon: Netherlandish Drawings of the Fifteenth and Sixteenth Centuries, Catalogue of the Dutch and Flemish Drawings in the Rijksmuseum, 2Bde. Den Haag 1978, Nr. 439.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, blaugrau laviert, Spuren von Kohle, auf gelblichem Papier 286mm x 202mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21948 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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