Ferdinand Bol, (?)

Der Engel erscheint Hagar und Ismael, 1645 - 1649

Der alttestamentliche Bericht von Abraham und Hagar war als Bildthema im 17. Jahrhundert ausgesprochen beliebt.(Anm.1) Hier ist der Moment der Rettung in der Wüste dargestellt: Die verzweifelte Magd Hagar hatte sich „einen Bogenschuss weit“ von ihrem Sohn Ismael entfernt, um nicht sein Sterben ansehen zu müssen. Doch Gott erbarmte sich auch über diesen außerhalb der Ehe geborenen Sohn Abrahams und schickte einen Engel, um den Verdurstenden eine Wasserstelle in der Wüste zu zeigen (1. Mose 21, 15–19).
Harzen erwarb diese Zeichnung auf der Auktion der Sammlung Verbrugge (1831) als Werk des Govert Flinck. An dieser Zuschreibung wurde bis in die 1960er Jahre festgehalten.(Anm.2) Andere Autoren sahen in dem Werk eine eigenhändige Zeichnung Rembrandts,(Anm.3) und auch die Autorschaft des Philips Koninck wurde erörtert.(Anm.4)
Die derzeit aktuelle Zuschreibung an Ferdinand Bol, erstmals vorgeschlagen von Van Dyke (1927) und wieder aufgegriffen von Sumowski (1979), wurde von Schaar (Ausst.-Kat. Hamburg 1994/95) und Röver-Kann (Ausst.-Kat. Bremen 2000/01) ebenfalls akzeptiert. Ausgehend von dem ungewohnt losen Konturengefüge in der Wiedergabe der Hagar äußerte kürzlich jedoch Jan Leja Zweifel an Bols Autorschaft.(Anm.5) Im Verhältnis zu der thematisch verwandten Darstellung von „Hagar am Brunnen auf dem Weg nach Sur“, einer der wenigen gesicherten Bol-Zeichnungen aus den frühen bis mittleren 1640er Jahren,(Anm.6) überwiegen die stilistischen Unterschiede vor Gemeinsamkeiten wie dem eckig und kraftvoll umrandeten Baumschlag am rechten Blattrand.

Annemarie Stefes

1 Vgl. Inv.-Nrn. 1930-68, 22410, 22782 und 22411; vgl. zu diesem Thema auch Netty van de Kamp: Die Genesis: Die Urgeschichte der Erzväter, in: Im Lichte Rembrandts. Das Alte Testament im Goldenen Zeitalter der niederländischen Kunst, Ausst.-Kat. Münster/Amsterdam/Jerusalem, Zwolle 1994, S. 24-53, S. 30.
2 Von Joachim Wolfgang von Moltke: Govaert Flinck, Amsterdam 1965 mit Verweis auf die verwandte gemalte Komposition „Elia in der Wüste“, 1642, Kiew, Kunstmuseum der Akademie der Wissenschaften, Inv.-Nr. 324, von Joachim Wolfgang von Moltke: Govaert Flinck, Amsterdam 1965, Nr. 32; für Flinck votierten auch Kurt Bauch, undatierte Notiz in der Kartei des Kupferstichkabinett, und Sumowski 1967 gemäß Schaar, in: Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994.
3 Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, 6 Bde., London 1954-57, Bd. 3, S. 144 und Stubbe, in: Hundert Meisterzeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle 1500-1800, Bilderhefte der Hamburger Kunsthalle, Bd. 5, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1967.
4 Vorgeschlagen von Gustav Falck: Einige Bemerkungen über Ph. Koninck als Zeichner. Ein Beitrag zur Echtheitskritik der Handzeichnungen Rembrandts, in: Festschrift für Max J. Friedländer Leipzig 1927, S. 168-180, abgelehnt von Horst Gerson: Philips Koninck. Ein Beitrag zur Erforschung der holländischen Malerei des XVII. Jahrhunderts, Berlin 1936.
5 Leja würde das Blatt eher allgemein als Werk der Rembrandt-Schule klassifizieren (Mitteilung per E-Mail, 13. 12. 2009).
6 Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1930-27, Holm Bevers, Peter Schatborn, Barbara Welzel: Rembrandt. Der Meister und seine Werkstatt. Zeichnungen und Radierungen, Ausst.-Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Amsterdam, Rijksmuseum, London, National Gallery, München u.a. 1991/92, Nr. 41; die Zeichnung illustriert das unserem Blatt vorangegangene Geschehen aus 1. Mose 16, 1–6; zu der Datierung dieser Zeichnung vgl. Jan L. Leja: Ferdinand Bol and Rembrandt: Authorship and Iconography in Drawings of Biblical Subjects, c. 1636-1650, New York, Univ., Diss. 2004, S. 148, Anm. 12.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Braun auf ehemals weißem Papier; Einfassungslinien (Feder in Braun) 179mm x 186mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21946 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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