Gerbrand van den Eeckhout

Die Darstellung im Tempel, um 1660

Der aus Amsterdam stammende Gerbrand van den Eeckhout hinterließ ein vielfältiges zeichnerisches Œuvre, wobei thematisch die biblischen Szenen den Schwerpunkt bildeten. Hier ist mit der „Darstellung im Tempel“ eine Begebenheit aus dem Neuen Testament dargestellt (Lukas 2, 22–39). Dem mosaischen Gesetz entsprechend wurde der neugeborene Jesus 33 Tage nach seiner Geburt in den Tempel nach Jerusalem gebracht, um dort als Erstgeborener seiner Familie dem Herrn geheiligt zu werden. Das hierfür vorgeschriebene Opfer war ein einjähriges Schaf. Wer sich dieses nicht leisten konnte, durfte sein Kind mit einem Paar Turteltauben auslösen.(Anm.2) Zu dieser Gruppe gehörten Maria und Joseph: Die beiden Tauben werden gerade von zwei Knaben zu Füßen des Joseph aus einem Käfig entnommen. Die Heilige Familie befindet sich noch außerhalb der Tempelvorhalle – durch die Säulen fällt der Blick auf das „Meer“, ein auf Rinderstandbildern stehendes gegossenes Becken. Durch die Beleuchtung hervorgehoben ist die Begegnung mit Simeon, den der Geist Gottes in diesem Moment in den Tempel führt. Dem gottesfürchtigen Greis wurde verheißen, vor seinem Tod den Messias zu sehen, und nun erkennt er in dem Jesuskind den lange erwarteten Heiland. In gleicher Weise wird die Prophetin Hannah, die hier gerade die Treppe herabsteigt, Gott für die kommende Erlösung Israels preisen.
Die Szene ist eingebettet in eine detaillierte und lebendige Schilderung des „Tempelbetriebs“. Unterschiedliche Repräsentanten des Volkes sind vertreten – Tempelbesucher und Bettler, Priester und Schriftgelehrte. Nicht alle gehen ihrer gewohnten Beschäftigung nach: Einige erheben aufmerksam den Kopf, um das besondere Geschehen zu beobachten.
Van den Eeckhout ging wohl in der zweiten Hälfte der 1630er Jahre bei Rembrandt in die Lehre und wurde von Houbraken als „guter Freund“ des Künstlers bezeichnet.(Anm.3) Darüber hinaus zeigte er sich stark beeinflusst von Pieter Lastman, was vielleicht am ehesten durch Vermittlung Rembrandts zu erklären ist.(Anm.4) Lastmansche Züge wurden auch unserer Zeichnung attestiert in der eleganten Linienführung und dem bühnenhaften Arrangement.(Anm.5)
Die vorliegende Zeichnung wurde von Sumowski (1962) in die 1650er Jahre gesetzt; in seiner Publikation von 1980 hielt dieser allerdings, ausgehend von den Beobachtungen Roys (1972), eine Entstehung in den 1660er Jahren für wahrscheinlicher.(Anm.6) Die saubere und malerische Ausführung erinnert an Werke Samuel van Hoogstratens.
Eine gemalte „Darstellung im Tempel“ Van den Eeckhouts aus den mittleren 1660er Jahren und eine zugehörige Vorstudie in Rötel stehen in keinem direkten Verhältnis zu dem Hamburger Blatt.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Ausgehend von der Goll-Nummer in rötlicher Tusche, vgl. Hans-Ulrich Beck: Anmerkungen zu den Zeichnungssammlungen von Valerius Röver und Goll van Franckenstein, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 1981, S. 111-125, S. 116; vgl. Michiel C. Plomp: Hartstochtelijk verzameld: beroemde tekeningen in de 18de-eeuwse Hollandse collecties, Ausst.-Kat. Haarlem, Teylers Museum, Paris, Institut Néerlandais, Paris, Hôtel Turgot, Paris 2001, S. 27, Nr. XVIII..
2 3. Mose 12, 1–4; 4. Mose 18,15; 3. Mose 12, 6–8.
3 Arnold Houbraken: De groote Schouburg der Nederlantsche konstschilders en schilderessen … zijnde een vervolg op het schilderboek van K. van Mander, 3 Bde., ’s Gravenhage 1718-1721, Bd. 1, S. 137 und Bd. 2, S. 79.
4 Zu dem Lastman-Einfluss auf Van den Eeckhout vgl. Hautekeete, in: Stefaan Hautekeete: Tekeningen van Rembrandt en zijn leerlingen in de Verzameling van Jean de Grez, Ausst.-Kat. Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Gent 2005, S. 62 und Ketelsen, in: Ausst.-Kat. Hamburg 2000/01, S. 70.
5 Vgl. Buschhoff, in: Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000.
6 Vgl. Van den Eeckhouts gemalte „Darstellung im Tempel“, ehemals Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum (Kriegsverlust), Inv.-Nr. 820, Werner Sumowski: Gemälde der Rembrandt-Schüler, 6 Bde., Landau 1983, Bd. 2, Nr. 435; im Bildaufbau verwandt ist ein 1662 datiertes Gemälde Van den Eeckhouts in Turin, Sammlung Gilberto Zabert, Nr. 437 (“Das Scherflein der Witwe“).
7 Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 1638, Werner Sumowski: Gemälde der Rembrandt-Schüler, 6 Bde., Landau 1983, Bd. 2, Nr. 456; Aukt.-Kat. London, Sotheby’s, 11. 7. 2001, Nr. 255.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Braun und Grau über Graphit auf gelblichem Papier; Einfassungslinien (Feder in Braun) 175mm x 231mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21918 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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