Gerbrand van den Eeckhout

Manoah mit seinem Weib vor dem Engel

Dargestellt ist eine Begebenheit aus dem Alten Testament: In der Zeit der Richter, als das Volk Israel unter der Herrschaft der Philister litt, verkündigte ein Engel dem kinderlosen Manoah und seiner unfruchtbaren Frau die Geburt eines Sohnes (Richter 13, 11–14). Dieser – mit Namen Simson – würde als Gottgeweihter das unterdrückte Volk in die Freiheit führen, bevor er den Verführungskünsten der Delila erliegen und letztlich scheitern sollte.
Die Verkündigung von Simsons Geburt war seit dem Mittelalter ein besonders in der Buchillustration beliebtes Thema.(Anm.1) Eine entsprechende Funktion kann auch für die vorliegende Zeichnung vorausgesetzt werden. Darauf deuten das kleine Format und die Übertragungsspuren – geschwärzte Rückseite und Überarbeitung mit dem Griffel. Die gedruckte Umsetzung konnte bislang nicht identifiziert werden; es sind jedoch weitere kleinformatige Darstellungen biblischer Themen bekannt, die in gleicher Weise durchgegriffelt wurden.(Anm.2)
Die Zeichnung wurde bereits von Harzen mit Van den Eeckhout assoziiert, ohne dass dieser das Thema identifizieren konnte: Davon zeugt die Leerstelle am Anfang der Bildbeschreibung in seinem Inventar. Später geriet diese Zuweisung offensichtlich in Vergessenheit: In undatierten Karteinotizen wurde das Blatt alternativ mit Allaert van Everdingen und Pieter Lastman in Verbindung gebracht; erst Bauch wies in einem Brief vom 19. 6. 1937 auf die mutmaßliche Autorschaft Van den Eeckhouts. Diese wurde bestätigt von Sumowski, der unser Blatt der Haarlemer „Verstoßung Hagars“ aus den frühen 1660er Jahren anschloss.(Anm.3) Auf ihrer Rückseite befindet sich eine wohl Anfang der 1650er Jahre skizzierte Darstellung von Gideons Opfer – thematisch verwandt mit der Hamburger Zeichnung. Verglichen mit der Haarlemer Zeichnung wirkt unser Blatt in den Figurenumrissen straffer und markanter, ein möglicher Hinweis auf abweichende Entstehungszeit.
Das Thema der „Verkündigung von Simsons Geburt“ ist auch Motiv einer signierten Kreidezeichnung des Künstlers aus dem British Museum.(Anm.4)

Annemarie Stefes

1 Judith van Gent, Gabriel M. C. Pastoor: Die Zeit der Richter, in: Im Lichte Rembrandts. Das Alte Testament im Goldenen Zeitalter der niederländischen Kunst, Ausst.-Kat. Münster/Amsterdam/Jerusalem, Zwolle 1994, S. 66-87, S. 70.
2 Z. B. Doppelblatt mit „Bekehrung des Saulus“ und „Daniel in der Löwengrube“, Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/1202, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 3, Dou - Eeckhout, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1980, Nr. 669, Ausst.-Kat. Brüssel 2006, Nr. 21, um 1670, oder „Mannalese“, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1888-A-1420, ebd. Nr. 665, um 1669; vgl. auch die um 1654 datierte „Schießpulver-Explosion in Delft am 12. Oktober 1654“, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 12815, ebd. Nr. 714 x.
3 Haarlem, Teylers Museum, Inv.-Nr. P*61, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 3, Dou - Eeckhout, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1980, Nr. 755*, Michiel C. Plomp: Jan Pietersz. Zomer's inscriptions on drawings, in: Delineavit et Sculpsit 17, 1997, S. 13-27, Nr. 125.
4 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1946,0713.154.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert; Griffelspuren, Rückseite geschwärzt; Einfassungslinien (Feder in Schwarz) 63mm x 80mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21917 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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