Cornelis Dusart

Die Raketenanzünderin, um 1695

Als Graphiker beschäftigte sich Dusart nicht nur mit „klassischen“ Genrethemen, sondern nahm auch Bezug auf aktuelle Ereignisse. Inv.-Nr. 21876 ist der Entwurf zu dem gegenseitig ausgerichteten Schabkunstblatt H. 36 aus einer achtteiligen Folge (H. 32–37 und H. 92–93), die unter dem Titel „Communia Gaudia“ die Eroberung Namurs durch Wilhelm von Oranien am 2. September 1695 feierte. Mit diesem Sieg wurde die entscheidende Wende im Kampf gegen die Franzosen eingeleitet. Zwei Jahre später beendete der Friedensschluss von Rijswijk diese als „Pfälzischer Erbfolgekrieg“ bekannten Auseinandersetzungen.
Um die allgemeine Freude über die Einnahme Namurs zum Ausdruck zu bringen, präsentierte Dusart unterschiedlichste Figurentypen: Raketenanzünder und tanzende Patrioten, eine fröhliche Teeverkäuferin, einen betrunkenen Matrosen und einen lachenden Tambour. Neben unserem Blatt existiert eine weitere Vorzeichnung in London.(Anm.1)
Inv.-Nr. 21875 ist dieser Werkgruppe unmittelbar anzuschließen, auch wenn kein direkt korrespondierendes Schabkunstblatt bekannt ist. Jedoch deuten der stilistische Kontext und motivische Querbezüge wie die brennenden Teerfässer auf einen direkten Zusammenhang. Zwar wurde dem Hamburger Blatt für den gedruckten „Raketenanzünder“ (H. 33) letztlich die Londoner Entwurfszeichnung vorgezogen, dafür griff Dusart für das Schabkunstblatt H. 92 variierend auf die Körperhaltung des Mannes und die Gesichter der ihm assistierenden Knaben zurück.(Anm.2)
Der konkrete historische Anlass gibt einen festen zeitlichen Anhaltspunkt für Datierung dieser Zeichnungen. Auch die gedruckten Fassungen wurden wohl erstmals 1695 publiziert. Später scheinen einige der Schabkunstblätter mit dem Frieden von Rijswijk (1697) in Verbindung gebracht worden zu sein. Dies betrifft den mit unserem Blatt korrespondierenden Druck H. 36 und das Gegenstück H. 33, deren Inschriften im dritten Druckzustand sich auf den Frieden beziehen: „De Vrede maakt mij gaande“ („Der Frieden bringt mich in Wallung“) bzw. „Vreden is beter als overwinning“ („Frieden ist besser als Sieg“).(Anm.3)
Die Graphitstudie eines Geigenspielers mit tanzendem Hund auf der Rückseite von Inv.-Nr. 21876 erinnert an Dusarts Radierungen H. 8 und H. 11 aus dem Jahre 1685. Ein noch engerer Bezug besteht zu einer 1980 in London versteigerten Zeichnung, die stilistisch ebenfalls in die 1690er Jahre anzusetzen ist.(Anm.4) Der etwas abgerieben wirkende Strich gibt Anlass zu der Vermutung, dass von dieser Skizze ein Gegendruck angefertigt wurde.

Annemarie Stefes

1 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1836,0811.134.
2 Eine thematisch anzuschließende, aber ebenfalls nicht druckgraphisch umgesetzte Zeichnung wurde 1981 in Amsterdam versteigert: „Jubelnde Bauern vor einem Wirtshaus“, Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby Mak van Waay, 16. 11. 1981, Nr. 146.
3 Mit dieser Umwidmung scheint ein leichter Bedeutungswandel eingetreten zu sein. Auf der unter Anm. 1 erwähnten Londoner Entwurfszeichnung zu H. 33 ist auf der am Hut festgesteckten Fahne im Gegensatz zu dem Schabkunstblatt eine Devise zu erkennen mit zwei einander umfassenden Händen unter einer Krone: ein klarer Hinweis auf die an der Eroberung von Namur beteiligte Allianz aus Niederländern, Engländern, Spaniern und Deutschen.
4 Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby Mak van Waay, 18. 11. 1980, Nr. 59; für diesen Hinweis danke ich Susan Anderson. Mitteilung per E-Mail, 8. 12. 2008.

Details zu diesem Werk

Pinsel in Braun über Graphit; Griffelspuren; Einfassungslinien (Feder in Braun) 229mm x 186mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21876 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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