Abraham van Diepenbeeck

Die Dreifaltigkeit, von Heiligen verehrt

Im Jahre 1614 veröffentlichte das Antwerpener Verlagshaus Plantin-Moretus ein lateinisches Messbuch („Breviarium Romanum“), illustriert mit Stichen von Theodor Galle nach Entwürfen von Rubens. Für eine 1650 als „Missale Romanum“ publizierte Neuauflage wurde Abraham van Diepenbeeck als Illustrator verpflichtet.(Anm.1) Dieser gehörte zu den produktivsten Vorlagezeichnern seiner Zeit; der Großteil seiner heute bekannten Zeichnungen – Steadman zählte 1982 mehr als 750 Blätter – steht in Verbindung mit Buchillustrationen und Titelblättern sowie Glasfenstern und Wandteppichen.(Anm.2)
Mit der vorliegenden „Allerheiligendarstellung“ besitzt die Hamburger Kunsthalle einen der Entwürfe zu diesem „Missale Romanum“ von 1650. Die Funktionsgebundenheit der Zeichnung wird dokumentiert durch die geschwärzte Rückseite und die Überarbeitung mit dem Griffel.
Anregend stand dem Künstler die entsprechende Rubens-Zeichnung zu der Edition von 1614 vor Augen.(Anm.3) Der Bildaufbau folgt im Wesentlichen dieser Vorlage. Abweichungen finden sich im Detail. So erweiterte Van Diepenbeeck die Repoussoirgruppe der Rubens-Zeichnung zu einer Dreiergruppe, bestehend aus dem sich auf den Rost stützenden Hl. Laurentius, dem Hl. Stephanus, der einen Sack mit Steinen in den Armen hält, und einer dritten Figur ohne Attribut. Gleichzeitig lässt er Stephanus in ähnlicher Weise gen Himmel blicken wie den jugendlichen Heiligen bei Rubens.(Anm.4)
Daneben arbeitete Van Diepenbeeck mit der axialen Umkehrung einzelner Figuren: Der Hl. Sebastian vorne rechts ist im Gegensatz zu der Rubens-Zeichnung als Rückenfigur gegeben, während die links auf einer Wolke stehende weibliche Heilige bildauswärts gewandt ist, also der Vorlage genau entgegengesetzt. Anders als bei Rubens nähert sich Maria hier kniend ihrem thronenden Sohn, und der Hl. Georg trägt einen mittelalterlichen Langschild anstelle des römischen Rundschildes. Trotz der an sich bewegteren Körperhaltungen wirkt die Komposition bei Van Diepenbeeck statischer als bei Rubens,(Anm.5) was vor allem auf die weniger ausgeprägten Größenunterschiede zwischen den einzelnen Figuren zurückzuführen ist.
Offensichtlich näherte sich Van Diepenbeeck dem gestochenen Endprodukt in mehreren Arbeitsschritten. In Turin und Rennes befindet sich je eine weitere Fassung in geringfügig kleineren Dimensionen. Die Zeichnung in Rennes wurde ebenfalls mit dem Griffel überarbeitet und steht dem Stich in einem Detail etwas näher als die Hamburger Zeichnung.(Anm.6) Die Turiner Variante ist etwas aufwändiger gearbeitet und wurde nicht gegriffelt. Möglicherweise diente sie als Präsentationsvorlage für einen Auftraggeber.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Vgl. David W. Steadman: Abraham van Diepenbeeck. Seventeenth-Century Flemish Painter, Studies in Baroque Art History, Bd. 5, Ann Arbor, Michigan 1982, S. 40; die gestochene Umsetzung der Illustrationen oblag Cornelis Galle (II).
2 Vgl. David W. Steadman: Abraham van Diepenbeeck. Seventeenth-Century Flemish Painter, Studies in Baroque Art History, Bd. 5, Ann Arbor, Michigan 1982, S. 33; die ersten Stechervorlagen stammen aus dem Jahre 1627, ebd. S. 25..
3 Diese Zeichnung befindet sich heute in Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 8213, J. Richard Judson, Carl van de Velde: Book Illustrations and Title Pages I, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. 11, Brüssel 1977, Nr. 28 a.
4 Diese Figur der Rubens-Zeichnung wurde von J. Richard Judson, Carl van de Velde: Book Illustrations and Title Pages I, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. 11, Brüssel 1977, S. 147 versuchsweise gleichgesetzt mit dem Hl. Stephanus, jedoch sind ihr neben der Märtyrerpalme keine weiteren Attribute beigegeben.
5 Auch David W. Steadman: Abraham van Diepenbeeck. Seventeenth-Century Flemish Painter, Studies in Baroque Art History, Bd. 5, Ann Arbor, Michigan 1982, S. 41, konstatierte für Van Diepenbeecks Illustrationen einen „Mangel an dramatischer Spannung“.
6 Rennes, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie, Kat. 1884, 88-2 (Kreide, weiß gehöht, 290 x 190 mm). Abweichend von unserem Blatt, aber in Einklang mit dem Stich ist dort ein bärtiger Heiliger aus der Apostelgruppe bildauswärts gewandt, ausgerichtet auf den Apostel Johannes.
7 Turin, Biblioteca Reale, Inv. 16349 D.C. (schwarze Kreide, Feder und Pinsel in Braun, Weiß und Deckfarben, 290 x 193 mm), I Disegni Fiamminghi e olandesi della Biblioteca Reale di Torino, Florenz 2007, Nr. 13. Bei David W. Steadman: Abraham van Diepenbeeck. Seventeenth-Century Flemish Painter, Studies in Baroque Art History, Bd. 5, Ann Arbor, Michigan 1982 ist weder diese Version noch die Fassung in Rennes erwähnt.

Details zu diesem Werk

Schwarze Kreide, Deckweiß (teilweise oxydiert), Feder in Braun, grau laviert auf hellbraunem Papier; Griffelspuren, Rückseite geschwärzt; Einfassungslinien (Feder in Schwarz) 298mm x 198mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21837 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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