Simon de Vlieger, zugeschrieben
Jan van de Cappelle (auch: Capelle), ehemals zugeschrieben

Die Fähre, um 1646 - 1650

Dargestellt ist eine der typischen breiten Fähren, wie sie im 17. Jahrhundert zur Überquerung von Flüssen und Kanälen eingesetzt wurden. Die Zeichnung galt seit ihrer Inventarisierung durch Harzen als Werk des Jan van de Cappelle. Offensichtlich wusste Harzen um den Zusammenhang mit dessen Antwerpener „Flusslandschaft mit Segelschiffen“, wo das gezeichnete Motiv am linken Bildrand wiederzufinden ist.(Anm.1) Dieser Kontext veranlasste Russell zur Bewertung der Zeichnung als Detailstudie zu dem Gemälde.
Eine gegenteilige Meinung vertrat kürzlich Christiaan P. van Eeghen, der in dem Blatt eine authentische Zeichnung Simon de Vliegers sah.(Anm.2) Dafür sprechen tatsächlich die stilistischen Unterschiede zu Zeichnungen Van de Cappelles bei gleichzeitiger Nähe zu späten Zeichnungen De Vliegers.(Anm.3) Van Eeghen beobachtete darüber hinaus auf dem Antwerpener Gemälde einen Kontrast zwischen der lebendigen Staffage des auf unser Blatt zurückgehenden Fährbootes und den mechanisch aneinander gereihten Passagieren der anderen, von Van de Capelles selbst entwickelten Boote.(Anm.4)
Jan van de Cappelle war als Erbe einer Tuchfärberei in erster Linie Geschäftsmann und widmete sich der Kunst nur zum Zeitvertreib. Nebenbei sammelte er in großem Umfang Zeichnungen, u. a. von Avercamp, Rembrandt und Van Goyen. Den größten Werkkomplex in seiner Sammlung bildeten die ca. 1200 Zeichnungen Simon de Vliegers, die er wohl nach dem Tod des Künstlers 1653 erwarb.(Anm.5) Eine Motivübernahme erscheint vor diesem Hintergrund plausibel,(Anm.6) wenn nicht sogar ein Lehrverhältnis zwischen De Vlieger und Van de Cappelle angenommen werden kann.(Anm.7)
In einer alten Verso-Beischrift wird die Zeichnung Anthonie Waterloo zugeschrieben, dem De Vlieger zeitweilig stilistisch sehr nahe stand.

Annemarie Stefes

1 Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Inv.-Nr. 767, Margarita A. Russell: Jan van de Cappelle 1624/6-1679, Leigh-on-Sea 1975, Abb. 33 a.
2 Als solche aufgeführt in dem bei Redaktionsschluss noch nicht vorliegenden Artikel zu den Kreidezeichnungen des Simon de Vlieger, Master Drawings (Mitteilung per E-Mail, 29. 9. 2009). Diese Zuschreibung wurde bestätigt von Stijn Alsteens (Mitteilung per E-Mail, 7. 3. 2010).
3 Vgl. Inv.-Nr. 21791, 21790. Eine Ausnahme bildet die ebenfalls eine Fähre darstellende, 1646 datierende Cappelle-Zeichnung in den Staatlichen Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 2406, Russel 1975, Abb. 31, die jedoch ebenfalls auf eine gezeichnete Vorlage De Vliegers zurückzuführen ist: nieder-ländischer Privatbesitz, Van Eeghen 2006, Abb. 44 und S. 33. – Verwandte De Vlieger-Zeichnungen befinden sich in Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1888-A-1536 und Inv.-Nr. RP-T-1888-A-1537, von Marijn Schapelhouman, Peter Schatborn: Dutch Drawings of the Seventeenth Century in the Rijksmuseum Amsterdam. Artists born between 1580 and 1600, London 1998, Nr. 426, 427 dem Spätwerk zugeordnet; Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 34513.
4 Siehe Anm. 2.
5 Abraham Bredius: De schilder Johannes van de Cappelle, in: Oud Holland 10, 1892, S. 26-40, 133-136, S. 37-39; Van Eeghen siehe Anm. 2.
6 In diesem Fall wäre das Antwerpener Gemälde um oder nach 1653 zu datieren, abweichend von Russells Datierung um 1650.
7 Vorgeschlagen von Christiaan P. van Eeghen: Simon de Vlieger as a Draftsman, I: The Pen Drawings, in: Master Drawings 44, 2006, S. 3-47, S. 33.

Details zu diesem Werk

Schwarze Kreide, grau laviert; Einfassungslinien (Feder in Braun) 259mm x 194mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21792 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback