Anonym, Bologna, 1. Hälfte 16. Jahrhundert
Innocenzo Francucci, ehemals zugeschrieben

Sacra Conversazione, um 1520-1550

Die Komposition zeigt den in der italienischen Renaissance kanonischen Typus der Sacra Conversazione, wie er auf zahlreichen Gemälden von Perugino, Fra Bartolommeo, Raffael u. a. verwendet wurde. Erkennbar sind unterhalb der thronenden Muttergottes mit Kind die Heiligen Petrus mit Messer, der Hl. Petronius mit dem Stadtmodell Bolognas und dem markanten Geschlechterturm „Torre degli Asinelli“ sowie die Hl. Katharina und der Hl. Sebastian.
Der aufgrund des Hl. Petronius erkennbare Bezug zu Bologna wird durch die links stehende Figur bestärkt. Sie erinnert unverkennbar an den Hl. Petrus auf Raffaels Gemälde der „Hl. Cäcilie“. Dieses Werk wurde 1512 in Bologna aufgestellt und hat dort sogleich für großes Aufsehen gesorgt. In den Bologneser Kunstkreis führt auch die bisherige, auf Georg Ernst Harzen zurückgehende Zuschreibung an Innocenzo Francucci, genannt Innocenzo da Imola (1490/94–1547/50). Dies ist auf der Ebene der Figurendarstellung ansatzweise nachvollziehbar, finden sich doch ähnliche Figurentypen im Werk des Künstlers. Darstellungen, wie etwa der Hl. Sebastian in Bagnara sind allerdings auch bei anderen Künstlern in ähnlicher Form nachweisbar, sodass deshalb keine zwingende Verbindung von der Zeichnung zu Innocenzo hergestellt werden kann.(Anm.1) Wenig plausibel erscheint die Zuschreibung an Francucci vor allem vor dem Hintergrund gesicherter Zeichnungen. So sind die „Sacra Conversazione“ und die „Auferweckung des Lazarus“ im Louvre in weitaus differenzierterer Weise ausgeführt.(Anm.2) Zum Beispiel sind die Gewänder durch geschickten Einsatz von Weißhöhungen ungleich plastischer herausgearbeitet. Auch wirken die Gesichter weniger einfältig als auf dem Hamburger Blatt. Besser vergleichbar erscheinen dagegen Zeichnungen von Bartolomeo Ramenghi, genannt il Bagnacavallo (um 1484–um 1542). So entspricht die „Sacra Conversazione“ im Louvre (Anm.3) mit der im Vergleich zu Francucci weicheren Gesamtwirkung stärker dem etwas kraftlosen Eindruck der Hamburger Gruppe. Ähnlichkeiten mit den Hamburger Figuren finden sich auch auf der Louvre-Zeichnung „Maria mit Christuskind und zwei Bischöfen“.(Anm.4) Dennoch können z. B. aufgrund der anders gezeichneten Finger keine direkten Bezüge hergestellt werden.
Wenn eine genaue Zuordnung auch schwierig ist, so dürfte – wie Marzia Faietti bestätigte – die Entstehung des Blattes doch zumindest auf Bologna bzw. die Emilia und die Jahre um 1520 bis 1560 einzugrenzen sein. Möglicherweise ist es die schwache Kopie eines Werkes von einem der oben genannten Künstler. Der halbrunde obere Abschluss legt nahe, dass es sich auch um die Nachahmung eines Gemäldes handeln könnte.

David Klemm

1 Vgl. die „Sacra Conversazione“ in Bagnara, SS. Giovanni Battista e Andrea, in: La pittura in Emilia e in Romagna. Il Cinquecento, Mailand 1996, S. 209.
2 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 8261; Inv.-Nr. 8262. Vgl. Un siècle de dessin à Bologne 1480-1580. De la Renaissance à la réforme tridentine, Bearb. v. Marzia Faietti, Dominique Cordellier unter Mitarbeit v. Laura Aldovini, Bernadette Py, Roberta Serra, Ausst.-Kat. Paris, Musée du Louvre Exposition du Cabinet des dessins, 105, Paris 2001, S. 58–51.
3 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 10056.
4 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 10065.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun über schwarzem Stift, weiß gehöht, braun laviert 208mm x 152mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21589 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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