Domenico Maria Canuti

Jupiter übergibt den kleinen Bacchus an Merkur, um 1682

1680/89 ließ der Conte Raniero Marescotti seinen Palast in der Via Barberie in Bologna unter der Leitung des Architekten Gian Giacomo Monti umfassend erneuern. Im Zuge dieser Umbaumaßnahmen fielen zahlreiche Dekorationsaufgaben an, die von Marcantonio Franceschini, Enrico Haffner sowie Giuseppe und Antonio Rolli ausgeführt wurden. Domenico Maria Canuti wurde mit der Ausmalung der Decke in der Antecamera des Appartamento von Filippo Aldrovandi, dem zukünftigen Erben von Raniero, betraut.
Wie Zahlungen belegen, beschäftigte sich Canuti um 1682 mit dem Fresko. Die Ausführung dürfte unmittelbar darauf erfolgt sein.(Anm.1) Die relativ große Zahl erhaltener vorbereitender Studien in Paris, Budapest, Hamburg und in Privatbesitz belegt, wie ernst Canuti diesen Auftrag genommen hat.
Der Pariser Entwurf (Anm.2) zeigt bei einer im Vergleich zum Hamburger Blatt ähnlich kraftvollen, leichten und flächigen Lavierung im oberen Bereich Jupiter, der dem unter ihm schwebenden Merkur das Kind überreicht. Im weiteren Verlauf des Entwurfsprozesses – gut zu erkennen auf den Blättern in Budapest (Anm.3) und in einer Privatsammlung (Anm.4) – hat Canuti dann die Position der Hauptfiguren sukzessive umgetauscht. Das Budapester Blatt zeigt im unteren Bereich eine flüchtige Studie, bei der Merkur, oberhalb von Jupiter schwebend, aus dessen Armen das Kind empfängt. Diese Lösung wurde anschließend – zu erkennen auf einem weiteren Blatt in Budapest (Anm.5) und auf der Hamburger Zeichnung – zur endgültigen Komposition weiterentwickelt.
Nicht übernommen wurde auf der Hamburger Studie die Kopfhaltung des Jupiter, die in der Verkürzung leicht verzeichnet wirkt. Zudem ließ Canuti im Fresko die linke obere Figur ganz weg und veränderte auch die Haltung der Göttin rechts außen.(Anm.6)
Für die Entwurfspraxis Canutis ist aufschlussreich, dass er mit der konturbetonten Budapester Zeichnung und der stark von der Lavierung geprägten Hamburger Studie zwei ganz unterschiedliche Zeichenstile zur Klärung der Bildidee einsetzte.
Ebenfalls von Canuti stammt möglicherweise eine bei Christie’s, New York, 1987 angebotene Zeichnung, die bei auffallend starker Betonung der Umrisse nahezu den identischen Bildausschnitt wie das Hamburger Blatt zeigt.(Anm.7)
Die großformatige Zeichnung wurde von Georg Ernst Harzen Luca Giordano zugeschrieben. Erst in den 1960er Jahren hat dann Philip Pouncey per Kartonnotiz den bereits auf dem Verso von anoymer Hand benannten Bologneser Künstler als Urheber bestimmt.(Anm.8)

David Klemm

1 Dies ist durch Zahlungen belegt; die Schlussabrechung ist jedoch nicht dokumentiert vgl. Jadranka Bentini, Angelo Mazza: Disegni Emiliani del Sei-Settecento. I grandi cicli di affreschi, Modena 1990, S. 140, 203–204, Kat.-Nr. 52 (Beitrag Simonetta Stagni, ohne Erwähnung des Hamburger Blattes). Eine Abbildung des Freskos befindet sich in: Simonetta Stagni: Domenico Maria Canuti Pittore (1626-1684), Catalogo Generale, Rimini 1988, S. 116.
2 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 7098.
3 Budapest, Szépművészeti Múzeum, Inv.-Nr. 1815, Abb. bei Jadranka Bentini, Angelo Mazza: Disegni Emiliani del Sei-Settecento. I grandi cicli di affreschi, Modena 1990, S. 142.
4 Vgl.Jadranka Bentini, Angelo Mazza: Disegni Emiliani del Sei-Settecento. I grandi cicli di affreschi, Modena 1990, S. 143 (Beitrag Simonetta Stagni).
5 Budapest, Szépművészeti Múzeum, Inv.-Nr. 1807, Jadranka Bentini, Angelo Mazza: Disegni Emiliani del Sei-Settecento. I grandi cicli di affreschi, Modena 1990, S. 144.
6 Feinblatt hat 1961 ein weiteres Blatt publiziert, auf dem die zentrale Gruppe der Komposition in sehr ähnlicher Form auftritt. Dabei handelt es sich wohl um eine Nachzeichnung. Vgl. Jadranka Bentini, Angelo Mazza: Disegni Emiliani del Sei-Settecento. I grandi cicli di affreschi, Modena 1990, S. 140.
7 Vgl. New York, Christie’s, Old Master Drawings, 13. 1. 1987, S. 29, Nr. 45, mit Abb.
8 Kartonnotiz.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert; aufgezogen 310mm x 279mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21572 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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