Bernardino Campi (Umkreis)

Pietà, um 1580(?)

Die auf der Hamburger Zeichnung dargestellte Beweinung kann mit einer themengleichen Darstellung in der Mailänder Brera in Verbindung gebracht werden. Dieses Ölgemälde hat eine sehr wechselvolle Zuschreibungsgeschichte.(Anm.1) Es galt zunächst als Werk Bernardino Campis, da dieser auf einem 1574 vollendeten Gemälde die nahezu identische Gruppe erweitert um einige Zuschauende dargestellt hatte.(Anm.2) Trotz dieser motivischen Ähnlichkeit hatten sich seit 1932 die Befürworter einer Zuschreibung an dessen Schülerin Sofonisba Anguissola durchgesetzt. Allerdings lässt sich das Werk kaum schlüssig mit der künstlerischen Entwicklung der Malerin in Einklang bringen.(Anm.3) Aus diesem Grund hat Wolfgang Prohaska es nicht für ausgeschlossen gehalten, dass das Gemälde in der Brera von Bernardino Campi stammen und eine verkleinerte eigenhändige Kopie darstellen könnte.(Anm.4)
Die offensichtlich völlig offene Zuschreibungsfrage trifft auch für das Hamburger Blatt zu. Es wirkt aufgrund des sehr deckenden Farbauftrags eher wie eine monochrome Studie denn wie eine Zeichnung. Eine genauere künstlerische Einschätzung des Blattes ist allerdings dadurch erschwert, dass es stark beschädigt ist. Mithilfe einer Lupe lassen sich aber noch an einigen Stellen – so beim Kopf der Maria – die Feinheiten der Pinselführung erkennen. Für Campi könnte sprechen, dass die von Venturi 1933 hervorgehobene größere Grazilität der Sofonisba gegenüber dem Pietà-Bild der Brera hier zugunsten einer etwas herberen Ausführung zurückgedrängt wird. Doch sind sowohl für Bernardino Campi als auch für Sofonisba Anguissola derartige fast monochrome Studien offensichtlich nicht nachweisbar. Dennoch ist vorstellbar, dass im näheren Umfeld Campis die hier erwähnten Varianten im Zuge einer effektiven Vermarktung seiner Komposition entstanden sein könnten.
Das künstlerische Konzept der Hamburger Anverwandlung der Brera-Komposition zielte darauf ab, die Betrachtung auf das Leiden Christi zu konzentrieren. Dabei wurde aber der Realismus der Vorlage durch den Verzicht auf die Darstellung der Blutstropfen Christi gemildert. Der Reduzierung der Farbpalette entspricht eine bildliche Verminderung der weltlichen Bezüge. Dies geschieht nicht nur durch das Weglassen der Begleitpersonen, sondern auch durch die Andeutung einer Wolke, auf der Maria und Christus sich befinden.

David Klemm

1 Sofonisba Anguissola. Die Malerin der Renaissance (um 1535-1625) Cremona - Madrid - Genua - Palermo, hrsg. v. Sylvia Ferino-Pagden, Ausst.-Kat. Wien, Kunsthistorisches Museum 1995, S. 135 (Beitrag Wolfgang Prohaska).
2 Mailand, Brera, Inv. Gen. 4; Gemäldegalerie Mailand 1989, S. 139–141.
3 Entweder malte S. Anguissola ihr Bild nach einer anderen Version Campis in Spanien oder nach ihrer Rückkehr 1573 in Genua, Cremona oder Sizilien. Vgl. Sofonisba Anguissola. Die Malerin der Renaissance (um 1535-1625) Cremona - Madrid - Genua - Palermo, hrsg. v. Sylvia Ferino-Pagden, Ausst.-Kat. Wien, Kunsthistorisches Museum 1995, S. 135.
4 Ebd.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Braun; aufgezogen 242mm x 200mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21538 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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