anonym, Oberitalien, 2. Drittel 18. Jahrhundert

Alexander bei der Leiche des Darius

Das großformatige Blatt aus unbekannter Herkunft blieb bislang unbeachtet. Es wurde im Kabinett aufgrund einer alten Sammleraufschrift stets dem Venezianer Antonio Zanchi (1631–1722) zugeschrieben. Das Budapester Museum besitzt laut Auskunft von Andrea Czére eine ebenfalls Zanchi zugeschriebene Zeichnung desselben Themas. Beide Blätter unterscheiden sich jedoch stilistisch.(Anm.1)
Zanchis Zeichenstil ist den bislang bekannten Blättern zufolge sehr variabel.(Anm.2) Allenfalls vergleichbar erscheint ein Blatt aus der ehemaligen Sammlung Morassi mit der Darstellung „David mit dem Haupt des Goliath vor Saul“.(Anm.3) Doch stimmen Lavierung sowie Haltung und Gesten der Figuren nicht ausreichend überein, um beide Blätter einer Hand zuzuordnen.
Das Hamburger Blatt ist sehr sicher gezeichnet, lichte und dunkleren Partien sind wirkungsvoll gegeneinander abgesetzt, der Bildaufbau ist geschickt angelegt. Dies könnte darauf hindeuten, dass hier die Wiederholung einer Zeichnung oder wohl eher eines Gemäldes vorliegt. Andrea Czére hält es zumindest für denkbar, dass das Blatt sogar die Kopie eines nicht mehr nachweisbaren Werkes von Zanchi wiedergibt. Immerhin lassen sich in dessen reichem Œuvre einzelne Figuren in ähnlicher Form ausmachen.(Anm.4) Doch auch bei Sebastiano Ricci finden sich vergleichbare Figuren.(Anm.5) So ist generell auch eine etwas spätere Entstehung im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts denkbar, worauf auch die gesamte Theatralik der Szene sowie der in Ansätzen akademische Charakter des Blattes hindeuten. Veronika Birke hält in diesem Zusammenhang sogar eine Entstehung im Mailänder Kunstkreis für denkbar.(Anm.6) Sicher dürfte eine Herkunft aus Oberitalien sein. Hierauf deutet auch eine Zeichnung Giuseppe Bisons mit einer Darstellung der um den toten Adonis trauernden Venus, wobei der Leichnam eine nahezu identische Haltung wie der tote Darius aufweist.(Anm.7)

David Klemm

1 Budapest, Szépművészeti Múzeum, Inv.-Nr. K. 58.82; Mitteilung per E-Mail auf der Grundlage einer Digitalphotographie, Oktober 2005.
2 Zu den Zeichnungen vgl. Pietro Zampetti unter Mitarbeit v. Ileana Chiappini di Sorio, Angelo Mazza, Fernando Noris, Mariolina Olivari: Antonio Zanchi, in: I Pittori Bergamaschi dal XIII al XIX secolo. Il Seicento IV, Bergamo 1987, S. 694-700.
3 Ebd. S. 696–697.
4 Vgl. z. B. die männliche Figur rechts vorne mit einem in ähnlich gebückter Haltung Wasser trinkenden Mann auf dem Gemälde „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“ in Bergamo, Basilica di S. Maria Maggiore. Vgl. die Abb. bePietro Zampetti unter Mitarbeit v. Ileana Chiappini di Sorio, Angelo Mazza, Fernando Noris, Mariolina Olivari: Antonio Zanchi, in: I Pittori Bergamaschi dal XIII al XIX secolo. Il Seicento IV, Bergamo 1987, S. 694-700, S. 636–637.
5 Vgl. z. B. die stehende Figur auf dem Gemälde „Giunio Bruto“ in Parma, Galleria Nazionale; vgl. Annalisa Scarpa: Sebastiano Ricci, Mailand 2006, S. 273–274, Nr. 366, mit Abb.
6 Mündliche Mitteilung beim Besuch des Kabinetts, 14.11.2006.
7 Vgl. die Abb. bei I grandi disegni italiani delle collezioni publiche di Rouen, bearb. v. Diederik Bakhuÿs, Cinisello Balsamo (Mailand) 2003, S. 58.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert 295mm x 447mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21504a Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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