Timoteo Viti, zugeschrieben, Zeichner
nach Raffael (Kopist), Zeichner
nach Leonardo da Vinci, Zeichner

Leda mit dem Schwan, nach 1500

Raffael hat sich während seines Aufenthaltes in Florenz zwischen 1504 und 1508 intensiv mit einer von Leonardo da Vinci entworfenen Darstellung der Leda auseinandergesetzt.(Anm.1) Die in Windsor bewahrten Studien Raffaels weisen mit ihren eng gestellten Schraffuren Übereinstimmungen mit Leonardos Zeichentechnik jener Zeit auf. So ist es wahrscheinlich, dass Raffael nach einer verlorenen Zeichnung Leonardos und nicht nach einem möglicherweise ehemals existierenden Gemälde kopiert hat.(Anm.2)
Das Hamburger Blatt ähnelt weitgehend der ganzfigurigen Darstellung der Leda in Windsor.(Anm.3) Sogar einzelne Verzeichnungen (z. B. der linke Arm der Leda) sind übernommen worden. Das Blatt ist etwas größer als das offensichtlich beschnittene Windsor-Blatt (Anm.4) und zeigt daher auch ein größeres Detail des Schwanenflügels. Da der Strich der Hamburger Zeichnung aber zögernder erscheint, kann dieses Blatt nur als vergrößerte Kopie nach Raffaels Originalzeichnung angesehen werden. Warum der anonyme Kopist auch die Pentimenti kopierte, muss offen bleiben. Auf dem Verso befindet sich eine vereinfachte Wiederholung des Motivs im Gegensinn, die den Studiencharakter des Blattes unterstreicht.
Die Zeichnung wurde wohl vor allem auf Grund der alten Bezeichnung zunächst als Arbeit Timoteo Vitis eingestuft. Tatsächlich ist überliefert, dass dieser Künstler nicht nur von seinem jüngeren Landsmann Raffael gelernt hat, sondern auch zahlreiche Kopien nach dessen Zeichnungen angefertigt haben soll. Dabei soll er - wie Fischel betont - die genialen Vorlagen an Freiheit der Federführung sogar "sehr unerwünschterweise" übertroffen haben.(Anm.5)
Hiervon ausgehend wurden Viti wiederholt Zeichnungen zugeschrieben, die als Kopien nach zum Teil verlorenen Raffael-Zeichnungen eingestuft werden.(Anm.6) Derart exakte Kopien wie die Hamburger Leda-Zeichnung sind für Viti bislang aber nicht nachweisbar. Zudem erscheint der feine Federstrich bislang auf keiner gesicherten Zeichnung des Künstlers. Es gibt daher keine zwingenden Gründe, dieses Blatt Viti zuzuschreiben. Ebenfalls abzulehnen ist die zeitweilig vertretene Autorschaft Sodomas, die wohl auf Grund der Ähnlichkeit des Motivs mit dessen Leda-Darstellung in der Galleria Borghese zurückzuführen ist.(Anm.7)

David Klemm

1 Arthur E. Popham, Johannes Wilde: The Italian Drawings of the XV and XVI Centuries in the Collection of His Majesty the King at Windsor Castle, London 1949, S. 309, Nr. 789. Vgl. Hugo Chapman, Tom Henry, Carol Plazzotta: Raphael from Urbino to Rom, Ausst.-Kat. London, National Gallery, London 2004, S. 180-181.
2 Vgl.Hugo Chapman, Tom Henry, Carol Plazzotta: Raphael from Urbino to Rom, Ausst.-Kat. London, National Gallery, London 2004, S. 180-181. Zur Problematik von Leonardos Leda-Darstellung vgl. Leonardo e il mito di Leda. Modelli, memorie e metamorfosi di un’invenzione, hrsg. v. Gigetta Dalli Regoli, Romano Nanni Antonio Natali, Ausst.-Kat. Vinci, Palazzina Uzielli del Museo Leonardiano, Cinisello Balsamo 2001.
3 Vgl. Hugo Chapman, Tom Henry, Carol Plazzotta: Raphael from Urbino to Rom, Ausst.-Kat. London, National Gallery, London 2004 S. 180.
4 Windsor Castle, Royal Library, Inv.-Nr. 12759.
5 Oskar Fischel: Die Zeichnungen der Umbrer, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen, Beiheft zum 38. Bd., Berlin 1917, S. 166.
6 Vgl. Paul Joannides: Raphael and His Age. Drawings from the Palais des Beaux-Arts, Lille, Ausst.-Kat. Cleveland (Ohio), The Cleveland Museum of Art, Lille, Musée des Beaux-Arts, Paris 2002, S. 90-91.
7 Notizen in der Dokumentation des Kupferstichkabinetts.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun 354mm x 258mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21495 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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