Perugino (Nachfolge), Zeichner

Kampf zweier Soldaten, um 1500

Das Blatt weist eine eindrucksvolle Provenienzkette englischer Sammler auf. Seine hohe Wertschätzung ist auch daran erkennbar, dass Georg Ernst Harzen dafür auf der Londoner Auktion der Esdaile-Sammlung die für damalige Verhältnisse stattliche Summe von 3 Pfund bezahlte. Die Zeichnung galt noch bei den englischen Sammlern des frühen 19. Jahrhunderts als Werk Francesco Squarciones, doch lässt sich das Blatt nicht überzeugend mit dessen schmalem zeichnerischem Œuvre verbinden.
Janos Scholz lenkte die Aufmerksamkeit auf die Schule von Squarciones bedeutendstem Schüler, Andrea Mantegna.(Anm.1) Diesem Kunstkreis wurde 1963 eine im Auktionshandel angebotene Zeichnung eines Bogenschützen zugeordnet; sie stimmt mit dem Hamburger Blatt stilistisch derart überein, dass für beide der gleiche Urheber angenommen werden kann. So weist die Figur nahezu identisch angeordnete, sorgfältige Kreuz- und Parallelschraffuren auf. Außerdem sind die Figuren auf beiden Blättern ähnlich konturiert. Interessanterweise stammen beide Blätter aus der Sammlung von Lord Somers, sodass Padre Resta als Vorbesitzer angenommen werden kann.
Die hier beschriebenen stilistischen Erkennungsmerkmale der beiden Blätter weisen nach heutiger Einschätzung weniger nach Padua denn nach Umbrien. Bereits Harzen selbst fühlte sich nach längerem Studium an Arbeiten Pietro Peruginos erinnert. Auch Hugo Chapman sah in dem Blatt umbrische Merkmale.(Anm.2) Und Lorenza Melli erkannte deutliche Parallelen zu jenen Künstlern, die im Umkreis Peruginos dessen Werke kopiert bzw. in ähnlicher Weise wie der Meister gezeichnet haben.(Anm.3)
Übereinstimmend ist vor allem die Gestaltung der Figuren aus zahlreichen sehr genau gesetzten Parallel- und Kreuzschraffuren.(Anm.4) Durch unterschiedlich große Zwischenräume werden Hell- und Dunkelzonen und damit plastische Wirkungen erzielt; auf Lavierung wird komplett verzichtet. Aufgrund der pedantischen Strichführung wirken die anatomisch weitgehend korrekt dargestellten Figuren etwas steif, fast leblos. Darüber kann auch der dramatische Kampf auf dem Hamburger Blatt nicht hinwegtäuschen. Das brutale Vorgehen der beiden Soldaten passt wenig zum normalerweise lieblichen umbrischen Kunstcharakter und findet auch keine Parallele im Schaffen Peruginos. Die Bildidee dürfte daher wohl auf eine antike Kampfszene zurückzuführen sein. Denkbar ist auch ein Einfluss von Pollaiuolos berühmtem Kupferstich, auf dem ebenfalls eine Gruppe heftig aufeinander eintretender Männer zu sehen ist.
Der sehr detaillierte und sorgfältige Zeichenstil spricht dafür, dass es sich eher um eine Kopie als um einen Originalentwurf handelt. Eine Entstehung um 1500 oder kurz danach ist denkbar.

David Klemm

1 Notiz im Archiv des Kupferstichkabinetts.
2 Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 18. 1. 2008.
3 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 25. 3. 2008. Vgl. auch I disegni italiani del Quattrocento nel Kupferstich-Kabinett di Dresda, bearb. v. Lorenza Melli, Ausst.-Kat. Florenz, Istituto Universitario Olandese di Storia dell’Arte, Florenz 2006, S. 204–207.
4 Vgl. auch Inv.-Nr. 21468.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun; montiert und mit Rahmung versehen; 172mm x 214mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21431 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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