Anonym (italienisch?, 16. Jh.)

Die Beschneidung Christi im Tempel

Das Blatt weist eine alte, bislang nicht bestrittene Zuschreibung an den Bolognesen Orazio Samacchini auf. Dies verwundert insofern, als der Zeichenstil nur entfernt an gesicherte Blätter des Künstlers erinnert. Eine genaue Zuordnung der sicher im 16. Jahrhundert entstandenen Zeichnung ist schwierig. Generell lässt das Blatt mit der detaillierten Wiedergabe der Architektur, der gedrängten Anordnung der Zuschauer und der über den Tisch gebeugten Mittelgruppe Anklänge an nordische Bildlösungen – etwa von Albrecht Dürer – erkennen.(Anm.1) Derartige Bildelemente können aber auch durch später tätige Künstler wie Johannes Speckaert nach Italien vermittelt worden sein.(Anm.2) Die bisherige Einordnung in den italienischen Kunstbereich mag durch Entsprechungen zu Gemälden bzw. Zeichnungen norditalienischer Herkunft gerechtfertigt sein. So erinnert die Anordnung der Hauptgruppe in Nosadellas Gemälde einer „Beschneidung“ an die Hamburger Komposition.(Anm.3) Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass das Blatt von einem aus dem Norden stammenden, in Italien arbeitenden Künstler gezeichnet wurde.

David Klemm

1 Vgl. z. B. eine ähnliche Raumauffassung bei Dürers „Mariä Verkündigung“ aus dem Marienleben; The Illustrated Bartsch 10 (7), 83 (132); vgl. Rainer Schoch, Matthias Mende, Anna Scherbaum: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 2: Holzschnitte und Holzschnittfolgen, München, London, New York 2002, S. 243, Nr. 173; für die Mittelgruppe vgl. „Die Beschneidung Christi“, aus dem Marienleben; The Illustrated Bartsch 10 (7), 86 (132); Rainer Schoch, Matthias Mende, Anna Scherbaum: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 2: Holzschnitte und Holzschnittfolgen, München, London, New York 2002, S. 251–253, Nr. 176.
2 Die Darstellung erinnert an den Stich von Aegidius Sadeler II nach Johannes Speckart, vgl. The Illustrated Bartsch, 70 Part 1 (Supplement), Aegidius Sadeler II, bearb. v. Isabelle de Ramaix, hrsg. v. John T. Spike, New York 1997, S. 144, Nr. 7201.087 S5, Abb. S. 143. Vergleichbar sind die Anordnung der Figur rechts, die Hauptgruppe und vor allem die Einbindung in eine weite Hallenarchitektur.
3 Privatsammlung; vgl. Pittura Bolognese del ‘500, hrsg. v. Vera Fortunati Pietrantonio, 2 Bde., Bologna 1986, II, S. 470.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun über schwarzer Kreide, weiß gehöht, braun laviert auf bläulichem Papier; montiert und mit Rahmung versehen 252mm x 158mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21413 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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