Giuseppe Porta, gen. il Salviati

Die unter dem Kreuz zusammengebrochene Maria, um 1550

Studie zur Figur der ohnmächtig zusammengesunkenen Maria und einer assistierenden Figur für das Altarbild der Kreuzabnahme in der Kirche S. Pietro Martire in Murano. Das laut alter Sammlerinschrift dem Paolo Veronese zugewiesene Blatt wurde von Georg Ernst Harzen Francesco Salviati zugeschrieben. Er folgte hiermit der Einschätzung des englischen Sammlers Charles Rogers, dem das Blatt im späten 18. Jahrhundert gehört hatte. Im ersten Inventar des Kupferstichkabinetts stufte man die Zeichnung als Werk Jacopo Tintorettos ein. Diese Einschätzung bezweifelten in den 1960er Jahren John Gere und Rolf Kultzen, die beide Giuseppe Porta, genannt Salviati, als Zeichner vorschlugen.(Anm.1) Letztlich ordnete David McTavish 1971 die Zeichnung dem oben genannten Gemälde in Murano zu.(Anm.2)
Der Detailstudie geht eine in ähnlicher Technik ausgeführte Vorzeichnung der Gesamtkomposition im Louvre voraus, die gegenüber dem Gemälde noch größere Unterschiede als das Hamburger Blatt aufweist.(Anm.3) Salviati übernahm die Detailstudie in den wesentlichen Punkten genau in das Gemälde. Unterschiedlich ist die rechte Hand der Madonna, die nun wieder – wie bereits auf der Louvre-Zeichnung – frei sichtbar ist.
Da genaue dokumentarische Belege fehlen, wurde das Gemälde von McTavish in Übernahme eines Vorschlags von Pallucchini in die frühen 1550er Jahre datiert.(Anm.4) Die Zeichnung dürfte demnach zeitnah anzusetzen sein.
Auch wenn sich kein Bezug zu einem Gemälde nachweisen ließe, spräche die Zeichentechnik für die Autorschaft Portas. Typisch für ihn ist die elegante Figurendarstellung, die durch geschmeidige Konturen und flächige Lavierung bestimmt wird. Der häufig von ihm verwendete farbige Fond trägt zusätzlich zur malerischen Gesamtwirkung der Zeichnung bei.
Die bislang wenig beachteten Kreidestudien auf dem Verso lassen sich nicht mit dem Gemälde in S. Pietro in Martire in Verbindung bringen.(Anm.5) Der sensibel gezeichnete Kopf einer erstaunt schauenden Frau findet sich aber auf einem ebenfalls auf Murano, in der Kirche Santa Maria degli Angeli, bewahrten Gemälde mit der Darstellung „Noli me tangere“, das von Ridolfi schon 1648 Porta zugeschrieben wurde.(Anm.6) McTavish hielt sich diesbezüglich in einer abschließenden Bewertung aufgrund des schlechten Erhaltungszustands des Gemäldes zurück. Eine alte Photographie in der Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz lässt aber eindeutige motivische Entsprechungen zwischen Kreidezeichnung und Kopf der Maria Magdalena erkennen.(Anm.7) So stimmen die erstaunt blickenden Augen, der geöffnete Mund und die lang herabfallenden Haare genau überein. Da an der Autorschaft Portas für die Verso-Zeichnung kein Zweifel besteht, untermauert diese Zuordnung die alte Zuschreibung des Gemäldes an diesen Künstler.
Die Figur einer stehenden Frau in weitem Gewand stellt in motivischer Hinsicht vielleicht eine frühe Ideenstudie für die sorgfältig ausgeführte Zeichnung „Allegorie des Glaubens“ in London dar.(Anm.8)

David Klemm

1 Karteikartennotiz.
2 Briefliche Mitteilung, 7.4.1971.
3 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 5761. Die Zeichnung weist wie das Hamburger Blatt eine alte Zuschreibung an Francesco Salviati auf. Vgl. Dal Pordenone a Palma il Giovane. Devozione e pietà nel disegno veneziano dal Cinquecento, hrsg. v. Caterina Furlan, Ausst.-Kat. Pordenone, ex chiesa di San Francesco, Mailand 2000, S. 146–147, mit Abb.
4 David McTavish: Giuseppe Porta called Giuseppe Salviati, London 1981, S. 275.
5 Ebd., S. 327.
6 Ebd., S. 274, Nr. 9.
7 Photo-Nr. 89966.
8 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1977-5–7-12; David McTavish: Giuseppe Porta called Giuseppe Salviati, London 1981, S. 332–333, Nr. 14.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert, schwarze Kreide auf graugrünem Papier 169mm x 185mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21388 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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