Simone Cantarini, genannt il Pesarese, zugeschrieben

Die Heilige Familie

Die aus bedeutender Provenienz stammende Zeichnung wurde seit jeher im Kabinett als Werk Guido Renis eingestuft. Aufgrund einer Kartonnotiz wurde auch Simone Cantarini als Zeichner in Erwägung gezogen.(Anm.1) Veronika Birke hat diese Zuschreibung im November 2006 bei einem Besuch des Kabinetts nachdrücklich bekräftigt, wobei sie sich vor allem durch die Strichführung an Cantarini erinnert fühlte.(Anm.2) Sie revidierte dabei eine zuvor auf der Grundlage eines Photos geäußerte Zurückhaltung gegenüber einer direkten Zuschreibung.(Anm.3) Unabhängig davon dürfte die Anlage der bildhaften Komposition auf den Einfluss Renis zurückzuführen sein, worauf schon Nicholas Turner aufmerksam machte.(Anm.4) Er verwies auf ein ebenfalls in Rötel gezeichnetes themengleiches Blatt, das 1994 unter der Zuschreibung an Reni im Kunsthandel angeboten wurde.(Anm.5) Allerdings ist diese Zeichnung im Vergleich zum Hamburger Blatt fester und mit sorgfältigeren Schraffen angelegt. Dies mag auf ihre Funktion als Vorstudie für Renis Radierung (Anm.6) zurückzuführen sein.(Anm.7) Ähnlichkeit mit der Hamburger Komposition weist auch Renis Gemälde „Die Heilige Familie mit der Hl. Elisabeth und Johannes dem Täufer“ auf.(Anm.8)
Entgegen diesen Meinungen hat Corinna Höper mit Flaminio Torre einen Künstler vorgeschlagen, der bekanntermaßen von Reni und Cantarini beeinflusst worden ist.(Anm.9) Viele der Torre zugewiesenen Blätter ähneln denjenigen Cantarinis, wenn auch dessen Zeichenstil im Vergleich zu Cantarini im Allgemeinen und zum Hamburger Blatt im Speziellen etwas härter wirkt. Die weiche Gesamtwirkung des Hamburger Blattes mag am ehesten für Cantarini sprechen. Allerdings bleibt problematisch, dass der Künstler offensichtlich höchst selten auf gefärbten Papieren gezeichnet hat. Eine Zuschreibung des Blattes an Cantarini erfolgt daher unter Vorbehalt.

David Klemm

1 Signatur: „ABL“ (?).
2 Mündliche Mitteilung am 14. 11. 2006.
3 Briefliche Mitteilung vom 19. 10. 2006.
4 Briefliche Mitteilung vom 31. 10. 2005.
5 Aukt.-Kat. New York, Sotheby’s, Old Master Drawings, 12. 1. 1994, S. 18, Nr. 11, mit Abb. Frdl. Hinweis von Nicholas Turner.
6 The Illustrated Bartsch 40 (18), 11 (286).
7 Ein möglicher Abklatsch dieser Zeichnung befindet sich in Wien, Albertina, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. 2213; vgl. Veronika Birke, Janine Kertész: Die italienischen Zeichnungen der Albertina. Generalverzeichnis, Bd. II (Inv. 1201-2400), Veröffentlichungen der Albertina Bd. 34, Wien, Köln, Weimar 1994, S. 1163.
8 Privatbesitz; Ausst.-Kat. Washington 1986, S. 524, mit Abb. Die Ähnlichkeit betrifft z. B. die Haltung der Maria.
9 Anlässlich des Symposiums „Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800“ am 27. und 28. 10. 2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.

Details zu diesem Werk

Rötel; montiert und mit Rahmung versehen 203mm x 143mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21377 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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