Giulio Romano, eigentlich Giulio Pippi

Andromeda an den Felsen geschmiedet, 1540/40

Das Blatt wurde bereits traditionell als Werk Giulio Romanos eingestuft, bevor es von Morassi und Pouncey als authentisch anerkannt wurde.(Anm.1) Oberhuber ordnete es 1989 dem Spätwerk zu. Die mythologische Figur sollte offensichtlich in eine Nische gestellt werden, wahrscheinlich eher als fingierte Malerei, denn als plastische Gestalt. Gemeinsam mit der ebenfalls in Hamburg bewahrten Perseus-Figur (Inv.-Nr. 21348) könnte die Andromeda ein Paar gebildet haben. Allerdings sind beide Blätter unterschiedlich hoch und auch in der Raumanlage voneinander abweichend. Nähere Ausführungen siehe Inv.-Nr. 21348.
Von Interesse ist eine bislang in diesem Zusammenhang nicht beachtete Zeichnung von Jacopo Strada (1507–1588) in dessen in Wien bewahrtem Mantuaner Skizzenbuch.(Anm.2) Dort ist – inmitten einer Ansammlung von Antikenkopien – eine nahezu identische Darstellung der Andromeda zu finden. Die Übereinstimmungen, z. B. in der Gewandung, sind derart weitreichend, dass ein sehr enger Zusammenhang beider Werke anzunehmen ist. Auffallend ist, dass Strada vor allem an der Dokumentation interessiert ist. So sind bei ihm z. B. die Kettenglieder an den Armen genau in ihrer technischen Anordnung wiedergegeben, wohingegen Romano es dort bei einer funktional undeutlichen Strichelung belässt. Generell ist Romanos Darstellung wesentlich lebendiger, was z. B. am Gesichtsausdruck Andromedas und an den Haarlocken abzulesen ist. Hierzu trägt vor allem bei, dass Romano im Gegensatz zu Strada nicht nur konturbetont zeichnet, sondern darüber hinaus zahlreiche Schraffuren einsetzt.
Es ist überliefert, dass der junge Strada den weithin berühmten Giulio stark bewunderte.(Anm.3) Er hat offensichtlich zahlreiche Zeichnungen des Künstlers besessen, die er zum Teil direkt aus den Nachlässen Giulios bzw. Perino del Vagas erworben hatte. Denkbar ist daher, dass er Giulio Romanos Darstellung der Andromeda mit kleinen Veränderungen kopierte. Vorstellbar wäre auch, dass Strada und Giulio auf eine Antike zurückgriffen, die heute nicht mehr nachweisbar ist.

David Klemm

1 Kartonnotiz.
2 Die Zeichnung befindet sich in „ Antiquarium Statuarum (…) ex Musaeo Iacobi de Stradae, Tomus Primus“, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Miniatus 21.2, fol. 9.
3 Vgl. Renate von Busch: Studien zu deutschen Antikensammlungen des 16. Jahrhunderts, Phil. Diss., Tübingen 1973, S. 193–194; dort auch eine ausführliche Vita Stradas.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun über Spuren von schwarzer Kreide, braun laviert 271mm x 158mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21349 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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