Giovanni Lorenzo Bernini, zugeschrieben

Karikaturen von fünf Malern

Ausgehend von den Grotesken Leonardos entwickelte sich die Karikatur in Italien durch die Bologneser Künstler Agostino und Annibale Carracci zu einer eigenen Gattung.(Anm.1) Größere Verbreitung fand sie dann im 17. Jahrhundert durch Guercino, Bernini, Domenichino und Pier Francesco Mola. Sie diente als beliebtes privates Betätigungsfeld, um Witz und Spott zu äußern. Dabei geriet nicht selten – wie auch hier – das eigene Schaffen oder das von Künstlerkollegen zur Zielscheibe. Der Zeichner nahm sämtliche Köpfe weitgehend im Profil auf und hob dabei besonders Nase, Kinn und Mund durch bewusste Überzeichnung hervor. Trotz der durchaus individuellen Erscheinung der Figuren ist eine Identifizierung der dargestellten Männer mit bekannten Künstlern bislang nicht gelungen.
Die Hamburger Zeichnung ist durch eine alte Beischrift als Werk Pier Francesco Molas gekennzeichnet. Von diesem Künstler werden noch im 18. Jahrhundert zahlreiche Karikaturen in der Art der Carracci erwähnt. Doch können ihm heute nur sehr wenige Zeichnungen sicher zugewiesen werden.(Anm.2) Diese Blätter sind – wie auch das Hamburger Blatt – durch einen nervösen Strich, lockere Formgrenzen und weitgehend fehlende Binnenzeichnung charakterisiert. Derartige Stilmerkmale verbinden das Blatt allerdings – wie Gerd Unverfehrt zu Recht hervorhob – sowohl mit Zeichnungen von Agostino Carracci als auch von Giovanni Lorenzo Bernini.(Anm.3) Den großen Bildhauer und Architekten hat Nicholas Turner – unter Vorbehalt – auf einer Kartonnotiz als Zeichner vorgeschlagen. Auch Simonetta Prosperi Valenti Rodinò hält eine Autorschaft Berninis für denkbar.(Anm.4) Ein in der Zeichentechnik, in der Art der Personencharakterisierung wie auch im Format sehr ähnliches Blatt wurde 1972 als Werk Berninis in einer Ausstellung in Edinburgh gezeigt.(Anm.5) Eine definitive Zuweisung erscheint allerdings angesichts des bisher erstaunlich geringen Forschungsinteresses an der italienischen Karikatur nicht möglich. Die Zuschreibung an Bernini erfolgt daher unter Vorbehalt.

David Klemm

1 Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten, hrsg. v. Gerhard Langemeyer, Gerd Unverfehrt, Herwig Guratzsch, Christoph Stölzl, bearb. v. Jürgen Döring, Ausst.-Kat. Hannover, Wilhelm-Busch-Museum, Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Göttingen, Kunstsammlung der Universität, Kunstverein, München, Stadtmuseum, Hannover, München 1984, S. 70, Nr. 36 (Beitrag Gerd Unverfehrt).
2 Zu Mola als Karikaturist vgl. Willem Rudolf Juynboll: Het Komische Genre in de Italiaanssche schilderkunst gedurende de 17de en de 18de eeuw. Bijdrage tot de geschiedenis van de caricatuur, Leiden 1934.
3 Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten, hrsg. v. Gerhard Langemeyer, Gerd Unverfehrt, Herwig Guratzsch, Christoph Stölzl, bearb. v. Jürgen Döring, Ausst.-Kat. Hannover, Wilhelm-Busch-Museum, Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Göttingen, Kunstsammlung der Universität, Kunstverein, München, Stadtmuseum, Hannover, München 1984, S. 70, Nr. 36 (Beitrag Gerd Unverfehrt).
4 Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 28. 3. 2008.
5 Italian 17th Century Drawings from British Private Collections, Ausst.-Kat. Edinburgh Festival Society, Scottish Arts Council, Edinburgh Festival 1972, Edinburgh 1972, S. 2, Nr. 4, mit Abb. S. 75.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun; aufgezogen 217mm x 177mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21277 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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