Giovanni Battista Franco, genannt il Semolei

Kentaur im Kampf mit einem Jüngling

Von Giovanni Battista Franco haben sich mehrere Federzeichnungen nach Antiken, dabei vor allem nach Sarkophagen erhalten. Sie entstanden wahrscheinlich während seines römischen Aufenthaltes 1530–1536. Das Hamburger Blatt zeigt – wie Vagn Poulsen erkannte – ein Motiv von der Längsseite eines heute in der Sala delle Muse im Vatikan aufbewahrten Sarkophags aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.(Anm.1)
Der Bildvergleich zwischen Sarkophag und Nachzeichnung ergibt, dass Franco die Kampfszene zwischen einem Krieger und einem Kentauren in ihrer Komposition und auch im Detail genau überliefert. Dennoch sind einige Veränderungen festzustellen. Franco löst die Gruppe aus der einengenden Begrenzung des Sarkophages heraus und verändert Körperhaltungen (z. B. die Armstellung) und Proportionen (z. B. vergrößert er den Hinterlauf des Pferdes), wodurch die Kämpfenden an körperlicher Präsenz gewinnen.
Eine Federzeichnung in Oxford gibt vier Szenen wieder, die ebenfalls von dem oben erwähnten Sarkophag im Vatikan stammen.(Anm.2) Da die Figurenstudien in Hamburg und Oxford einander in Technik und Maßstab sehr ähnlich sind, ist ihre ehemalige Zusammengehörigkeit als sicher anzunehmen. Möglicherweise ist die Hamburger Zeichnung das Fragment eines größeren Studienblattes. Hierfür spricht auch, dass an ihrem rechten Bildrand der Überrest eines weiteren Motivs – wohl ein Pferdeschweif – erkennbar ist.
Franco hat mehrere seiner Antikenaufnahmen auch als Radierungen veröffentlicht.(Anm.3) So ist denkbar, dass auch die Zeichnungen in Oxford und Hamburg ursprünglich für diesen Zweck vorgesehen waren, doch lassen sich keine druckgraphischen Umsetzungen nach diesen Motiven nachweisen.
Die Geschichte des Sarkophags ist nicht genau geklärt. Aufgrund der bislang nachweisbaren erhaltenen Studienzeichnungen dürfte er spätestens seit Ende des 15. Jahrhunderts bekannt gewesen sein.(Anm.4)

David Klemm

1 Brief von Vagn Poulsen, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen, 13. 3. 1958. Zum Sarkophag vgl. Carl Robert: Die antiken Sarkophagreliefs, Bd. 3: Mythische Sarkophage, Berlin 1897, S. 151ff.; Georg Lippold: Die Skulpturen des Vaticanischen Museums, Bd. III, 1, Tafeln, Berlin und Leipzig 1936, o. S., Nr. 501; Wolfgang Helbig: Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom, 2 Bde., Tübingen 1963, I, S. 51–52, Nr. 66; Phyllis Pray Bober, Ruth Rubinstein: Renaissance Artists & Antique Sculpture. A Handbook of sources, London 1986, Nr. 145.
2 Oxford, Christ Church, Inv.-Nr. 1398; vgl. James Byam Shaw: Drawings by Old Masters at Christ Church Oxford, 2 Bde., Oxford 1976, I, S. 71–72, Nr. 141.
3 The Illustrated Bartsch 32 (16), 81-I (146) – 83 (149).
4 Vgl. die Aufzählung bei James Byam Shaw: Drawings by Old Masters at Christ Church Oxford, 2 Bde., Oxford 1976, S. 181.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun; aufgezogen; Einfassungslinie (Feder in Braun) 154mm x 210mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21210 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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