Anonym (deutsch, 17. Jh.)

Maria mit dem Christuskind und dem Hl. Franziskus, 1620 - 1650

Das Blatt war bisher Domenico Fetti (1588/89–1623) zugewiesen, doch besteht mit für ihn gesicherten Blättern keine Übereinstimmung. Auch scheint das Blatt nicht italienischer sondern nordischer Herkunft zu sein. Sollte diese Vermutung zutreffen, ist auf Grund des dargestellten Themas und aus stilistischen Gründen am ehesten an einen süddeutschen Künstler zu denken.
Die erzählte Legende, nach der dem hl. Franziskus von Assisi die Jungfrau erscheint und ihm das Christuskind in den Arm legt, gehört zu den Sujets, die erst im Zuge der Gegenreformation von Malern thematisiert wurden.(Anm. 1) Der Zeichner scheint Rubens’ um 1620 entstandene Fassungen des Themas – etwa in Dijon (Anm. 2) – oder Cornelis Vischers (um 1619/29–1662) Stich nach dem Gemälde in Antwerpen (Anm. 3) gekannt zu haben, denn in der Komposition lehnt sich der Zeichner sehr eng an Rubens an.
Eine gewisse stilistische Nähe besteht zu einem Blatt von Johann Christoph Storer (1620–1671) in Stuttgart.(Anm. 4) Charakteristisch für die flüchtige, in der Anlage jedoch sichere Zeichnung mit dem Hl. Gallus, der den Gründungsort für das Kloster St. Gallen bezeichnet, sind kraftvolle, durchgezogene Federzüge, die ein offenes Lineament bilden, über einer akzentuierten Lavierung. Friedrich Thöne nahm für die Stuttgarter Zeichnung, bei der es sich wohl um den Entwurf zu einem Altarblatt handelt, eine Entstehung um 1652 während eines vorübergehenden Aufenthalts in Konstanz an.(Anm. 5) Tatsächlich leitet sich die barocke Erscheinung des Blattes aus Storers langjähriger Tätigkeit in Mailand ab, doch hält Sibylle Appuhn-Radtke es auch für möglich, dass das Blatt in Stuttgart zu den frühesten Zeichnungen gehört, die 1655 unmittelbar nach Gründung seiner Werkstatt in Konstanz entstanden.(Anm. 6) Das Hamburger Blatt, bei dem es sich ebenfalls um einen Entwurf zu einem Altarblatt oder um die Vorlage für einen Stich handeln dürfte, weist die genannten Charakteristika in ähnlicher Form, jedoch weniger sicher auf. Auch in Details wie der Bildung der Hände weicht es von der Stuttgarter Zeichnung ab, weshalb Appuhn-Radtke eine Zuschreibung des Hamburger Blattes an Storer ablehnt (Anm. 7), doch ist eine Entstehung in seinem Umfeld wahrscheinlich.

Peter Prange

1 Emile Mâle: L’Art religieux après le Concile de Trente, Paris 1932, S. 174.
2 Dijon, Musée des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 163, vgl. Hans Vlieghe: Saints I, Corpus Rubinianum Ludwig Burchard, Part VI­II, Brüssel 1972, S. 149–150, Abb. 169.
3 Vgl. C. G. Voorhelm Schneevoogt: Catalogue des Estampes Gravées d’après P. P. Rubens, Haarlem 1873, S. 98, Nr. 34. Auch Michel Lasme und Andrieu Lommelin haben nach dem Gemälde in Antwerpen Stiche angefertigt, vgl. ebd., S. 98, Nr. 35 und S. 99, Nr. 37.
4 Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 3980, vgl. Zeichnungen des 15. bis 18. Jahrhunderts. Meisterwerke aus der Graphischen Sammlung, Ausst.-Kat. Stuttgart 1984, S. 25, Nr. 31, Abb.
5 Friedrich Thöne: Der Maler Johann Christoph Storer als Zeichner, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst N. F. 13, 1938/39, S. 230, Nr. 23.
6 Sibylle Appuhn-Radtke: Visuelle Medien im Dienst der Gesellschaft Jesu. Johann Christoph Storer (1620–1671) als Maler der Katholischen Reform, Regensburg 2000, S. 276, Nr. Z 17, Abb.
7 Email vom 24.10.2006.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz, braunschwarz laviert 215mm x 168mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21201 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 15.-18. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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