Angelo Maria d' Eschini, zugeschrieben

Die sitzende Maria mit dem Christuskind und Johannes dem Täufer (nach Annibale Carracci)

Das Motiv dieser Zeichnung geht – wie Erich Schleier feststellte – auf Annibale Carraccis um 1596 entstandenes Gemälde „Maria mit dem Christuskind und dem Johannesknaben“ in den Uffizien zurück.(Anm.1). Die Komposition ist sehr genau wiedergegeben, während die auf dem Gemälde stark akzentuierte Licht-Schatten-Situation deutlich abgemildert erscheint. Der malerische Charakter wird dadurch zugunsten eines stärkeren graphischen Eindrucks verändert. Kleinere Abweichungen betreffen vor allem den Bereich der Landschaft im Hintergrund.
Diese Betonung des Linearen hat wohl dazu geführt, dass die Zeichnung bislang im Kabinett dem Bolognesen Donato Creti (1671–1749) zugeschrieben wurde. Dessen Blätter sind aber zumeist nicht so exakt durchgeführt, sondern im Strichbild freier.
Ann Sutherland Harris und Anna Maria Petrioli Tofani schlugen per Kartonnotiz Stefano della Bella als Zeichner vor. Die subtilen, mit feiner Feder gezogenen Linien verweisen durchaus auf diesen Künstler; auch gibt es in della Bellas reichem Œuvre ähnlich exakt ausgeführte Zeichnungen. Dennoch bestehen starke Zweifel an einer derartigen Attribution. Irritierend ist vor allem die graphische Gesamtwirkung des Blattes. Bei aller Qualität lässt die Studie das für della Bella typische Vibrieren der Linien vermissen. Selbst bei seinen exakten Vorzeichnungen für Radierungen ist das Strichbild im Detail etwas unruhiger und die Konturen sind durch kleine Unterbrechungen in sich lebendiger gestaltet.(Anm.2) Ungewöhnlich für Figurenstudien des Künstlers wäre auch das Blattformat. Entscheidend für eine Ablehnung der Zuschreibung an della Bella ist die Tatsache, dass sich die Zeichnung bestens mit einer seitenverkehrten Druckgraphik des aus Modena stammenden Künstlers Angelo Maria Eschini verbinden lässt.(Anm.3) Die motivischen Übereinstimmungen sind weitreichend und auch die Kreuzschraffuren des Druckes sind auf der Zeichnung vorgegeben. Die Seitenverkehrtheit sowie kleinere Detailunterschiede schließen eine Nachzeichnung nach der Druckgraphik aus. Eschini nennt auf seiner Radierung keinen anderen Künstler als Entwerfer, vielmehr betont er seinen Anteil durch das Wort „fece“.(Anm.4) Dennoch ist eine Zuschreibung an ihn problematisch, da er als Zeichner bislang nicht greifbar ist. Seine Radierungen sind weit entfernt von der Eleganz der Hamburger Zeichnung. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass er bei einer reproduzierenden Graphik – um die es sich hier handelt – über einen feinen Zeichenmodus verfügte. Eschinis Tätigkeit ist bislang nur von ca. 1660 bis 1671 nachweisbar. Zu dieser Zeit hat della Bella nur noch wenig, und dann völlig anders gezeichnet. Auch aus diesem Grund ist dessen Autorschaft sehr unwahrscheinlich. Unabhängig davon ist nicht völlig auszuschließen, dass ein von della Bella beeinflusster Zeitgenosse die Vorzeichnung zur Radierung geliefert hat. Da jedoch hierfür bislang keinerlei zwingende Vorschläge gemacht werden können, erscheint eine Zuweisung des Hamburger Blattes an Eschini – unter gebührendem Vorbehalt – am sinnvollsten.

David Klemm

1 Kartonnotiz. Vgl. Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 374 P; vgl. Donald Posner: Annibale Carracci. A Study in the reform of Italian painting around 1590, Bd. 2 Bde., New York 1971, II, S. 42.
2 Inv.-Nr. 1967-235
3 The Illustrated Bartsch 47 (19), 1 (165); The Illustrated Bartsch, 47 (Commentary, Part 1), Formerly Volume 21 (Part 2), Italian Masters of the Seventeenth Century, bearb. v. Paolo Bellini, hrsg. v. Walter L. Strauss, New York 1987, S. 263, 4714.001.
4 Zu Eschini vgl. auch The Illustrated Bartsch, 47 (Commentary, Part 1), Formerly Volume 21 (Part 2), Italian Masters of the Seventeenth Century, bearb. v. Paolo Bellini, hrsg. v. Walter L. Strauss, New York 1987, S. 262–280.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun 240mm x 182mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21179 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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